Dies ist die Geschichte um die Ereignisse in der Baronie Niederlormark, wie sie sich im ersten Poëna-Mond des Jahres 30 n.A.III zugetragen haben. Jedoch muss zum Verständnis der eigentlichen Geschichte vorgegriffen werden. Alles nahm seinen Anfang bei einer Reise, welche einige abenteuerlustige Personen unternahmen …
Bei strahlendem Sonnenschein im 3. Helios-Mond des Jahres 27 n.A.III stach der Baron der Niederlormark, Friedrich von Illmenau, mit seinem Schiff „Irmgard-von-Ilmenau“ in See. Ziel der Reise sollte die sagenhafte Insel sein. Von diesem Ort hatte ihm der ostarische Kapitän Jens-Hendrik Nilsson berichtet. Hier sollte es ungeheuren Reichtum geben. In den Tempeln und Palästen der Insulaner fänden sich zuhauf Gegenstände, die nicht nur oberflächlich mit Aurazith verziert seien, sondern gänzlich aus dem edlen Metall gemacht.
Aber das allerbesondertste seien die Pfeffer-Körner Sie hätten einen unnachahmlich scharfen Geschmack und auf den Pfefferinseln benutzen es die Inselbewohner für Heilungszwecke und um ihre Speisen zu würzen. Angeblich hilft es gegen Zahnschmerzen, Erkältungen im Hals, Vergiftungen, sei sogar gut für die Manneskraft und vieles mehr. Es verbreite im Körper ein Feuer, das sicher auch für Soldaten von Nutzen sein könnte, wenn sie im Winterlager unter großer Kälte zu leiden hätten. Sie bräuchten nur einige Pfeffer-Körner zu essen, um sich wieder aufgewärmt zu fühlen.
Aber die Reise stand unter keinem guten Stern. Der erste Offizier Sempelquast entpuppte sich als Landratte und verbrachte den größten Teil der Reise unter Deck, weil ihm übel war. Einige Mitglieder der Besatzung verfolgten ihre eigenen Ziele und dachten gar nicht daran fremde Inseln zu erforschen. Vielmehr sollte das Reiseziel nach ihren Vorstellungen verändert werden, was dazu führte, dass die Schiffskarten immer wieder ausgetauscht wurden. Da Jens-Hendrik Nilsson nicht immer ganz klaren Geistes war und es auch mit seinen Kenntnissen bei der Navigation nicht weit her war, bemerkte er die Veränderungen zuerst gar nicht. Der Baron, sowie seine Schwester und sein Herold hatten zum Glück überhaupt keine Ahnung von der Seefahrt und merkten nicht, dass der Kurs beinahe stündlich geändert wurde.
Doch zu guter Letzt erreichte man eine Insel und ging dort an Land. Doch hier fand der Kapitän weder den erhofften Reichtum, noch die schrecklichen Bewohner. Gegen Letzteres hatte er jedoch eine schnelle List zur Hand. Ein paar Leute der Besatzung bemalten sich die Gesichter mit Teer, kleideten sich mit Lumpen und Blättern und sprachen zu den „Eroberern“ mit wilden Gebärden in einem unverständlichen Kauderwelsch.
Die Mannschaft sammelte verschiedene der exotischen Pflanzen und Tiere. Friedrich von Illmenau ließ die Flagge der Niederlormark auf dem Atoll hissen und ging zufrieden über den Ausgang der Expedition wieder an Bord. Er wähnte sich als Herrscher einer Insel, die sagenhaften Reichtum barg.
In die Niederlormark zurückgekehrt war seine Reise und die Entdeckung des Atolls Gesprächsthema im ganzen Königreich. Doch irgendwann kehrt der Alltag wieder ein und alles geht wieder seinen gewohnten Gang. Von da an wurde es still um den ansonsten sehr umtriebigen Baron der Niederlormark. Seine Hochwohlgeboren, sein allgegenwärtiger Herold und seine schöne Schwester blieben allen gesellschaftlichen Ereignissen fern und gerieten beinahe in Vergessenheit. Das letzte öffentliche Auftreten war der Besuch des heligonischen Adelstages im 1. Saarkamond im Jahre 27 n.A.III.
Mit der Zeit brachen nach und nach die Handelsbeziehungen ab und die üblichen Boten zwischen dem Thaler Fürstenhaus in Hochanthen und des Barons der Niederlormark Friedrich von Illmenau blieben aus. Der Winter des Jahres 29 n.A.III schien der Grund für die ausbleibenden Boten zu sein. Haushoch türmten sich die Schneemassen auf den Wegen der Niederlormark und kein Durchkommen war mehr. Nur noch die befestigte Aximistilius-Straße entlang des Brazach war passierbar. Einige Boten kehrten unverrichteter Dinge wieder zurück und berichteten von der Eiswüste, die sie vorgefunden hatten. Andere kehrten nie zurück.
Die Poëna-Monde kamen, doch lange wollte sich keine Besserung einstellen. Langsamer als in allen anderen Baronien des Fürstentums zog sich Saarkas weißes Tuch zurück. Vorsichtiger und umsichtiger als zuvor versuchte man erneut vorzudringen. Doch selbst Späher wagten sich nicht weit ins Land vor oder blieben verschollen. Was war vorgefallen, dass kein Mensch die Baronie mehr verlassen konnte? Es wurde beschlossen, niemanden mehr in die Baronie Niederlormark gehen zu lassen. Die Nord- und Ostgrenzen der Niederlormark riegelten Truppen und Landsknechte des neu erhobenen Barons der Lormark, Hektor von Eichenstein ab und die Süd- und Westgrenze wurden von Truppen von Fürst Bartha überwacht. So verging ein Sommer mit langweiligem Wacheschieben für die an der Grenze postierten Thaler Soldaten, während Gelehrte vergeblich versuchten mehr über die Zustände in der Niederlormark zu erfahren.
Zunächst vermutete man rebellische Umtriebe, oder Machenschaften von üblen darianischen Schmugglerbanden. Die Wahrheit war weitaus schrecklicher und grausamer. Doch zunächst drang davon keine Information an die Außenwelt.
Die erneut harten und schneereichen Saarka-Monde des Jahres 30 n.A.III hatten jegliche weitere Nachforschungen verhindert und nur ein zaghafter Hilferuf der hungernden Bevölkerung der Niederlormark erreichten den Hof von Hochanthen. Zum ersten Mal war es einem Trupp Späher trickreich geglückt, aus der Niederlormark zurückzukehren.
Am 3. Tag der ersten Poëna n.A.III 30 erging vom Thaler Fürstenhaus der Befehl, eine Hilfslieferung für den Norden der Niederlormark zusammen zu stellen. Mit der Durchführung wurde der Freiherr von Hochwalden, Ansgar von Beraht betraut. Die Leitung des Konvois übernahm der Thaler Korporal Tronde Waldson. Wagen voller Brot, Obst, Fässer voller Kraut und gepökeltem Fleisch sowie Säcke voller Saatgut wurden losgeschickt. Soldaten und andere Krieger sollten dafür sorgen, dass die Hilfe bei den Bedürftigsten auch ankommt.
Der Hilfskonvoi brach am 15. Tag der ersten Poëna in Hochanthen auf. Der Weg führte über die Aximistilius-Straße am Ufer des Brazzach entlang auf die Niederlormarker Grenze zu. Der Tross zog an gut gefüllten Scheunen vorbei, an vollen Wirtshäusern, in denen das Bier und der Honigwein in rauen Mengen fließen. An fetten Bauern und Vieh, das gut im Futter steht. Kaum begreiflich, dass wenige Stunden harten Ritts entfernt, Menschen den Hungertod sterben sollten.
Kurz nach der Niederlormarker Grenze bog der ganze Tross von der gut befestigten Flussstraße ab und folgte mehrere Tage einem vom Schmelzwasser schlammigen Pfad. Immer wieder musste der Tross anhalten, weil ein Wagen in einem Schlammloch stecken geblieben war. Man war um jede helfende Hand froh, die den Karren wieder aus dem Dreck zog. Ein gebrochenes Rad oder eine Achse der schwer beladenen Wagen behinderten immer wieder das Vorankommen. Nur langsam kämpfte man sich vorwärts – viel zu langsam, wie bald jeder das Gefühl hatte. Es machte sich die drückende Stimmung breit, zu spät gekommen zu sein. Verlassene Höfe, leere Dörfer, eingefallene Scheunen, verwilderte Felder – Keine Menschenseele – Niemand, dem man mehr helfen konnte. Die Mission schien umsonst zu sein. Aber man ging weiter, gab nicht auf.
Als man die Burg Ipptalblick erreichte wurde man sogleich vom dortigen Burgvogt begrüßt. Der Anblick, welcher sich im Thonsaal bot, überraschte sehr. „Karl der Stattliche“, wie er genannt werden wollte, räkelte sich auf seinem Kanapee. Vier weiß gewandete Frauen umsorgten ihn liebevoll. Sie fütterten ihn mit allerlei Süßwerk, kraulten und streichelten ihn zärtlich. Es schien sich um Geweihte zu handeln, trugen sie doch die jeweiligen Göttersymbole auf der Stirn. Ihr Verhalten aber war einem Geweihtem nicht schicklich. Die anwesenden Geweihten, Lordkanzler Vergenhans und Magister Metabor, waren sich dessen sehr schnell einig.
In der Unterhaltung mit dem Burgvogt stieß man auf weitere Ungereimtheiten. Der vergangene Burgvogt schien an Hunger gestorben zu sein. Karl der Stattliche, so sagte er selbst, wurde nach dessen Tod von der Burgbevölkerung gewählt. Eine Bestätigung des Niederlormarker Barons oder gar des Thaler Fürsten lag jedoch nicht vor. Dies wurde zwar nach eigenen Angaben versucht, aber man erhielt nie eine Antwort.
Offensichtlich ging es dem Burgvogt selber sehr gut. Er war gut genährt und in prächtiger Verfassung. Davon zeugten auch die gut gefüllte Speisekammer sowie ein voller Bierkeller. Auf Anfrage, warum die Lebensmittel nicht an die hungernde Bevölkerung verteilt wurden, antwortete Er, alle Personen außerhalb der Burg seien Gesetzlose und Ausgestoßene.
Es wurde beschlossen, die mitgebrachten Hilfsgüter nicht in der Burg zu belassen, um sie Karls Einflussbereich zu entziehen. Sie sollten schnellstmöglich an die Bevölkerung der umliegenden Dörfer verteilt werden. Dies sollte aber erst am nächsten Morgen geschehen, da es in der Nacht zu gefährlich war die Burg zu verlassen. Ein nächtlicher Angriff von den „Rebellen“ auf die Burg zeugt davon. Es gab keine Chance, sie davon zu überzeugen, wegen ihrer Hilfe vor Ort zu sein.
Am nächsten Tag wurden weitere, äußerst interessante Entdeckungen gemacht, die weitere Fragen aufwarfen. Es fanden sich außerhalb der Burgmauer übergroße Insekteneier, drei Stück an der Zahl. Sie hatten einen Durchmesser von ein-einhalb Spann. Zwei waren noch unbeschädigt, eines wies an der Oberseite ein faustgroßes Loch auf. Im inneren des Eis waren Reste von weißlichem Schleim zu sehen, der überaus übelriechend war.
Im Burghof wurden Zirp-Geräusche vernommen. Der genaue Herkunftsort war nicht zu bestimmen, aber sie schienen aus dem Inneren der Burg selbst zu kommen. Vielleicht befand sich ein riesiges Insekt unter der Burg. Eine gewisse Unruhe unter den Anwesenden machte sich breit.
Es verschwanden einige Mitglieder des Hilfskonvois. Unter anderem wurde Korporal Tronde Waldson vermisst. Überreste seiner Kleidung wurden in den Morgenstunden außerhalb der Burg gefunden. Der Waffenrock war zerrissen und blutverschmiert. Zudem waren Spuren von diesem ominösen Schleim zu finden. Er war somit das vermeintlich erste Todesopfer, welches zu beklagen war.
Es wurde ein großer Kokon gefunden. Er befand sich in einem Raum in der Innenburg und war durch eine große Wand getrennt. Diese bestand aus einem mysteriösen Material, welches sich als tierischen Ursprungs herausstellte. Es war gleich dem Material, aus dem Insektenpanzer sind. In diesem Raum wurde der Kokon von einigen Burgbewohnern quasi bewacht. Sie konnten nicht davon überzeugt werden, den Raum zu verlassen.
Andere Burgbewohner legten eine Art Herden-verhalten an den Tag. Gleich Arbeiterinnen in einem Ameisenstaat schafften sie Nahrungsmittel durch die Gegend. Sie schienen sehr kraftvoll und wohlgenährt zu sein. Aber sie waren auch etwas desorientiert und konnten nicht von ihrer ihnen „vorbestimmter Aufgabe“ abgebracht werden.
Einige der Edlen zeigten zumal ein abnormes Verhalten. Irgendwie schafften es die vier Frauen, die Sinne einzelner Männer zu vernebeln. Sie schienen dies über eine Art Duftstuff zu bewerkstelligen. Die vier Frauen bekamen durch diese Hexerei fast den gesamten anwesenden Adel unter ihre Kontrolle. Vorerst konnte somit nicht gegen sie vorgegangen werden, da sie unter ihrem „Schutz“ standen.
In den Nachmittagstunden wurden endlich die ersten Kontakte zu den Rebellen geknüpft, die unweit der Burg ein Lager errichtet hatten. Sie schienen die neue Situation falsch gedeutet zu haben und dachten, der Hilfskonvoi sei eine neue Lieferung an den Burgvogt. Der nächtliche Angriff, vor diesem Hintergrund betrachtet, rückte in ein völlig neues Licht. Man einigte sich darauf, einen vorläufigen Frieden mit den Rebellen zu schließen und ihnen die mitgebrachten Hilfsgüter zu überlassen.
Am Nachmittag wurde beschlossen, Karl den Stattlichen als Vogt abzusetzen und die Kontrolle der Burg zu übernehmen. Man plante somit wenigstens die Gefahr, welche vom Vogt ausging, bannen zu können. Doch kurz vor der Stürmung der Burg wurde Vogt Karl von einem Kontrahenten im Zweikampf erschlagen. Dieser wurde sogleich von den vier Frauen zum neuen Burgvogt proklamiert.
Aber der Entschluss war längst gefallen. Es wurde zum Angriff geblasen und binnen weniger Minuten war die Burg besetzt. Die Wachen wurden getötet, der Burgvogt festgesetzt. Dieser konnte sich jedoch in den Abendstunden aus seinem Gefängnis befreien und fliehen.
Die vier Frauen wollten sofort einen neuen Burgvogt ausrufen, doch dies war vom Hochwaldener Freiherr verboten worden. Aber sie forderten vehement einen neuen Burgvogt. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen erklärte sich Ritter Fabius, mit Erlaubnis des Hochwaldener Freiherrn, dazu bereit und ergab sich in sein Schicksal.
Von Minute zu Minute wuchs der Einfluss der Frauen auf Ritter Fabius. Er konnte sich noch eine Weile erwehren, aber schließlich erlag auch er ihrem Hexenwerk. Als der Einfluss zu groß wurde, konnte er mit Hilfe eines Tricks von den Frauen getrennt werden.
Einige Alchimisten und Kräuterkundige konnte in den Abendstunden ein Antidot herstellen, welches die Beeinflussung der vier Frauen teilweise aufhob. Nach und nach wurden die edlen Herren aus dem Einflussbereich der vier Frauen entfernt.
Zu späterer Stunde wollten die Frauen unbedingt zu ihrem Burgvogt vordringen. Sie konnten aber erfolgreich daran gehindert werden.
Währenddessen arbeitete man fieberhaft am großen Kokon. Schließlich konnte eine Substanz entwickelt werden, mit deren Hilfe ein Loch in die Wand geätzt wurde. Der Anblick, welchem das innere des Kokons bot, war grauenhaft. Es schien sich um eine Brutkammer zu handeln. Zwei übergroße Maden räkelten sich zwischen angefressenen menschlichen Körpern und sonstigen „Nahrungsmittelresten“. Hier wurden auch die vermissten Personen gefunden werden, die meisten von ihnen zum Glück noch lebend.
Es stellte sich heraus, dass sämtliche Bewohner der Burg sogenannte Insektoiden waren, halb Mensch halb Insekt. Die „Mantiden“, wie sie fürderhin genannt werden, setzten sich nach der Öffnung der Brutkammer schließlich gewaltsam zur Wehr. Zahlreiche Mantiden-Krieger kamen aus ihren Kellerlöchern hervor, um ihr Nest zu verteidigen. Es begann ein heftiger Kampf, der sich über lange Zeit hinzog. Erst spät konnte auch der letzten Mantide das Leben ausgehaucht, das letzte Nest ausgemerzt werden. Eine Befragung der vier Frauen war leider nicht mehr möglich, da sie leider in den Wirren des Kampfes getötet worden waren.
Wie diese Plage der Mantiden über die Burg kam ist ungewiss. Ob noch weitere Landstriche der Niederlormark von diesen Mantiden befallen sind, ist ebenso unklar. Der Verbleib und das Schicksal des Niederlormarker Barons Friedrich von Illmenau ist weiterhin fraglich.
Freiherr Ansgar von Beraht übernahm vorläufig die Verwaltungsgeschäfte von Burg Ipptalblick. Lordkanzler Johannes Vergenhans hat in seiner Eigenschaft als Helios-Hochgeweihter diese Maßnahme legitimiert. Burg Ipptalblick wird in der weiteren Zeit als Brückenkopf in der Niederlormark genutzt. Von hier aus werden weitere Hilfslieferungen ergehen sowie eine Suche nach dem Baron der Niederlormark eingeleitet. Eine Kooperation mit der hiesigen Landbevölkerung konnte dank intensiver Bemühungen gesichert werden.
Sofort im Anschluss wurde von Fürst Bartha von Thal ein konzentrierter Vormarsch zur Stadt Hirschenbach eingeleitet, an dem sich auch Baron Hektor von Eichenstein beteiligte. Gleichzeitig fand ein Einmarsch weiterer Thaler Truppen unter dem Kommando der Barone Beoric von Welzen und Sihran von Tolens aus Richtung Westen statt. Man hoffte immer noch ein Lebenszeichen von Baron Friedrich von Illmenau zu finden …
Real:
auf Burg Wildenstein, Leibertingen vom 21.03.2003 bis zum 23.03.2003
Heligonisch:
in Thal, Niederlormark, Ipptalblick vom 21. Tag im 1. Poënamond, 30 n.A.III bis zum 23. Tag im 1. Poënamond, 30 n.A.III