Als mir in der Bibliothek am Hofe von Anthan ein altes Manuskript fiel, dachte ich noch nicht daran, welche weitreichenden Konsequenzen meine folgenden Studien haben würden. Es war schon sehr alt. Schätzungsweise mehrere hundert Jahre alt. Es war nicht sehr gut erhalten, nur noch wenige Seiten waren zu entziffern. Ich fand heraus, daß dieses Werk einmal zur Bibliothek der Eichenburg in Brassach gehörte. So machte ich mich auf den Weg, mehr über dieses Werk zu erfahren.
Als ich dort ankam, lernte ich sogleich Owenbrecht kennen. Er war der Bibliothekar. Immer bei seiner Seite war Heinbart, welcher sich um das wohl des schon etwas ergrauten, alten Mannes kümmerte. Außerdem machte ich Bekanntschaft mit Ebron, welcher ein Berater in wissenschaftlichen Dingen ist. Trotz ihres hohen Alters waren Owenbrecht und Ebron noch zu allerlei Unfug fähig. So ließen es sich die Beiden nicht nehmen, zusammen mit einem Freund an einem Utzgan-Spiel teilzunehmen. Doch dies ist eine andere Geschichte.
Nach einigen Tagen stellte sich heraus, daß es noch ein zweites Buch gab. Sie schienen völlig identisch zu sein. Jedoch waren beide in demselben desolaten Zustand. Dennoch konnte ich anhand der Burgchronik herausfinden, daß ein Mann namens Zolberath das Manuskript verfasst hatte. Er war ein Mitglied des frühen Ordo Mechanicus gewesen. Sein Labor befand sich innerhalb der Eichenburg, jedoch wußte keiner der Einwohner, wo sich dieses befand. Es schien fast so, als hätte es nie existiert.
Plötzlich tauchten zwei Phiare auf. Sie forderten einige der Anwesenden zu einem Spiel heraus, sagten aber nichts genaueres. Sie händigten Schlüssel aus, mit dessen Hilfe man in eine andere Astralebene gelangte. Dort befand sich das vorher erwähnte Labor Zolberaths. Er schien es mit Hilfe eines Zaubers in diese Astralebene befördert zu haben. Den “Spielern” wurden verschiedene Rätsel gestellt. Um sie zu lösen wurden wir, Owenbrecht, Ebron und ich, manchmal an die Grenzen unserer nervlichen Belastbarkeit geführt. Somit ist verständlich, daß unsere Ratschläge manchmal mißverstanden wurden. Ich bitte diejenigen, welchen dadurch manch peinliche Situation zuteil wurde, um Verzeihung !
Nachdem eine gewisse Anzahl der Rätsel gelöst worden war, wurden die “Spieler” vor neue Aufgaben gestellt. Man hatte einige Apparati zu deaktivieren. Als man uns den Aufbau einiger Apparati erklärt hatte, wurde klar, welchen Zweck sie hatten : Zolberath wollte eine “Burg für die Ewigkeit” bauen; mit Hilfe der Apparati. Sie waren so konzipiert, daß sie Magie aus den Apparati in die Burg leitete, um diese vor ihrer Alterung zu schützen.
Zu später Stunde gelang es dann auch, genügend von ihnen unbrauchbar zu machen. So konnte man mit Hilfe eines großen Rituals jegliche Apparati zerstören. Nachdem dies erfolgreich vollführt wurde, war die Eichenburg von ihrem Zauber befreit und zu einer “normalen” Feste zurückgekehrt.
Es gibt vieles, über das in den Gilden und Vereinigungen der Gelehrten ein Diskurs geführt wird. Das meiste davon dreht sich um die aktuelle Forschung und darum, wie man an die Dinge herangeht, um greifbare Ergebnisse zu erhalten.
Doch immer wieder kommt auch die Diskussion auf, ob und wie man die Forschung unter Kontrolle halten kann, ist es doch bei manchen Gebieten durchaus nötig, dem Eifer des Einzelnen Grenzen zu setzen.
In unserem Lande existieren dafür die Orden und Zirkel, welche die Aufsicht über die Taten ihrer Mitglieder innehaben und das Wirken derer legitimieren. Als Legitimation gilt meist die Ausstellung eines Heliosbriefes, in dem sich der Empfänger verpflichtet, nur diese Forschungen zu betreiben, zu denen er die Befugnis erhalten hat. In fast allen Fällen funktioniert dies auch, zu groß ist die Furcht vor Strafen und Repressalien, mit denen man die Verstöße gegen die Regeln der Orden verfolgt. So weit, so gut.
Doch leider findet das Wirken der Forschung und der Gelehrten nicht nur in den geordneten und anerkannten Zirkeln statt, immer wieder findet man auch Hinweise auf Aktivitäten, die keinem der bekannten Orden zuzuordnen sind. Doch wer kann bei diesen garantieren, daß dabei keine, den als gültig anerkannten und meist ungeschriebenen moralischen Gesetzen widersprechenden Handlungen vollzogen werden?
Erst kürzlich, auf einer Reist durch Darian, kam ich in Kontakt mit den Ergebnissen eines solchen Handelns. Wie den meisten bekannt sein dürfte, finden gerade in den Gebirgen des Schlangenkamms Ausgrabungen statt, bei denen man die Überreste einer alten Kultur gefunden hat. Besonders aufsehenerregend war der Fund zweier mumifizierter Körper. Noch aufsehenerregender jedoch war, daß diese beiden Körper, sobald sie gefunden worden waren, auch schon wieder verschwanden, sie wurden nämlich gestohlen. Einen der Körper fand man relativ bald wieder, der andere blieb verschollen. Er sollte sich erst um einiges später wieder einfinden, und dies im Zusammenhang mit Dingen, die wohl dem einen oder anderen zu denken geben sollten.
So stellte sich heraus, als der zweite Körper wieder gefunden wurde, daß diesen – oder den Amuletten, die an ihm befestigt sein sollten – eine Kraft innewohnte, die man nicht als normal beschreiben könnte. Menschen, die in Kontakt mit dem Körper oder den Amuletten kamen hatten urplötzlich das Bedürfnis, auf die Suche nach Pflanzen zu Herstellung eines Trankes zu gehen und die Herstellung dieses Trankes mit allen Mitteln voranzutreiben. Doch waren sie sich dessen nicht bewußt, sie wurden kontrolliert. Auch wurde manchen die Macht gegeben, sich gegen Einflüsse zu schützen, gegen die sie normalerweise schutzlos wären. Es ging sogar so weit, daß diese Menschen um “ihre” Interessen durchzusetzen, die Freiheit und Gesundheit anderer gefährdeten. Man muß ihnen jedoch zu gute halten, daß sie bei ihrem Handeln nicht Herr ihrer Sinne waren, von einer Bestrafung wäre also abzusehen.
Nun wäre es noch akzeptabel, wenn diese Geschehnisse alle auf alten, vergangenen Geschichten und Taten beruhen würden, doch so wurde uns erzählt, seien immer noch Gruppen unterwegs, welche solcherlei Rituale, die diesen mumifizierten Körpern diese Macht verliehen, ausübten. Doch die Kenntnis über dererlei Dinge wird dort zum einen unterdrückt, zum anderen derart verfolgt, daß diejenigen, die – wohl zu Unrecht aus der Sicht der wahren Verursacher – solche Kenntnisse erhalten haben, nicht mehr in der Lage sind, über ihre Kenntnisse zu berichten.
Es scheint dort also eine Geheimloge zu existieren, die keinerlei anerkannter Kontrolle unterliegt und dort mit Mächten operiert, die weit über das hinausgehen, was man gemeinhin gewohnt ist. Und es hat den Anschein, daß diese Loge wohl schon recht lange existent ist, so sind die gefundenen Mumien doch als recht alt einzustufen.
Doch was ist daraus zu folgern?
Ich meinerseits stelle nun die Forderung, daß aufs schnellste eine autorisierte Gruppe gebildet wird, die dererlei Umtriebe untersuchen soll und wenn möglich, für die Zukunft zu unterbinden versucht. Auch wäre es vorteilhaft zu wissen, in wie weit diese unautorisierte Gruppe schon Verbreitung in unserem Lande gefunden hat und in wie weit sie sich schon in die Gesellschaft infiltriert hat um dort ihre Umtriebe zu verheimlichen. All dies sollte unter dem Ansinnen geschehen, einer neuen und unbekannten Gefahr entgegenzuwirken, die wohl über Mächte verfügt, die uns im Momente noch überlegen zu sein scheinen. Diese Gefahr sollte, so möglich dann zerschlagen werden.
Auch sollte man, solange sich die erste Forderung nicht erfüllen läßt, auf die Erforschung dieser Macht hintreiben, um eine adäquate Möglichkeit zur Kompensation zu erhalten, wenn sich diese unbekannte Kraft erneut zu zeigen beginnt.
Es wäre vielleicht angebracht, auf dem nächsten Treffen der heligonischen Gelehrten über diese Geschehnisse zu diskutieren und dort über etwaige Lösungsvorschläge zu entscheiden.
Nach dem Eintreffen eines Boten aus der neu eingerichteten ostarischen Baronie Khendas Pailat wurde in den Dienstgebäuden der königlichen Reichsbibliothek zu Escandra bekannt, daß die vor einem halben Jahr von Rolvanus Esgadran von Carajon entsandte Delegation von Schriftgelehrten in den Bibliothekshallen des Pailat eine Fülle unterschiedlichster Berichte und Beschreibungen zu katalogisieren begonnen hat, die aus alten und sogar vorgeschichtlichen Epochen der heligonischen Geschichte zu stammen scheinen. Bedauerlicherweise seien viele der Texte den Gelehrten aufgrund der Vielzahl unbekannter Schrift- und Bildzeichen derart fremd, daß es den entsandten Kundigen aus der Reichshauptstadt unmöglich ist, sie zu entziffern. Die Ordensleute des Pailat seien zudem, obschon in der Interpretation jener Zeichen nicht ganz unerfahren, nicht immer zu entsprechender Mitarbeit zu bewegen. Ohne die Angabe von Gründen verweigerten sie beispielsweise die Mitarbeit bei der Entzifferung von 27 Schriftrollen, die vermutlich den ödländischen Schöpfungsmythos zum Inhalt haben (die Annahme, daß die Ödländer keine Schrift hätten, stimmt – nach neuesten Erkenntnissen – nicht ganz. Ein sehr exklusiver Kreis von ödländischen Magiern benutzt offensichtlich eine durch die Jahrhunderte unveränderte Zeichenschrift, deren Interpretation allerdings aufgrund der Fülle an Hieroglyphen unmöglich ist. Es wird spekuliert, daß die ödländischen Magier sich auch in der Geschichtsschreibung betätigen).
Nur ein kurzer Verweis auf diese Schriften in einer Abhandlung aus der Zeit der Regentschaft König Helos Aximistilius I. (Tractatium ueber dass Wesen fremddländischer Voelker, Band II) läßt überhaupt auf den außergewöhnlichen Inhalt dieser Schriftrollen schließen. Ein Abschnitt, vermutlich aus der dritten Schriftrolle, ist übersetzt abgedruckt – leider ohne die zugehörigen Bildzeichen:
In den Frühen Tagen
War die Bärenmutter
Des Menschen Menschen
Die Bärenmutter
gab dem Menschen Fleisch zur Nährung.
Sie hat in erwärmet ihn in der Nacht.
Der Mensch
war voll Dank.
Und liebte die Bärenmutter.
Der Rabe
Hatte das Feuer
Das gab er dem Menschen.
Der Bärenvater aber
er fürchtete das Feuer.
Also der Mensch
den Bärenvater tötete.
Die Bärenmutter
Ward zornig
Und sie haßte den Menschen
Und hat ihn verstoßen.
Seit den Frühen Tagen
ist die Bärenmutter
nie mehr des Menschen Mutter
Gewesen
Was die weiteren Forschungsergebnisse angeht, darf man sicherlich gespannt sein; nicht alle in der Ordensburg vorrätigen Schriften sind in alten Sprachen abgefaßt. Ein ausführlicher erster Bericht wird in den nächsten Monaten erwartet.
Noch immer treffen Fragen aus dem Kreis der Wissenschaftler und Gelehrten aus ganz Heligonia ein, welche das Ereignis am 11. Tage des 3. Heliosmondes betreffen. Zur Mittagsstunde katte sich das Antlitz des Helios verfinstert. Nun sind sich die Gelehrten zu Escandra und sämtlicher anderer Universitäten noch nicht einig geworden, was es mit diesem Ereignis auf sich hatte. Einige behaupteten, sie haben schon zuvor davon gewußt, andere wiederum waren völlig überrascht von dem plötzlichen Einbruch der Dunkelheit. Da Forschung und Diskussion bisher noch nicht abgeschlossen sind, wird im nächsten Portal genauer berichtet.
Auch dieses Jahr finden sich wieder die Gelehrten, Geweihten und an den Wissenschaften Interessierten zusammen, um allerley geheimnisvolle Phänomene zu erörtern. Der Schauplatz wird diesmal die Burg Tannenstein in der Provinz Grünwalden, Baronie Tolens sein. Der Convent wird am 26. bis 28. Tag des 3. Xurlmondes abgehalten.
Interessierte mögen bei der Schreibstube um Reservierung ersuchen, da die Anzahl der Unterkünfte auch dieses Jahr wieder knapp bemessen ist.
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