Die offizielle Ausrufung des neuen Lehens in der Baronie Luchnar hat endlich stattgefunden. Wie angekündigt wurde von Seiten der Druidh und Sagai des Landes das Erntedankfest Arán als passender Anlass auserkoren. Der Zeitpunkt dieses Festes ist allerdings vom Ablauf der Ernte abhängig. Ein festes Datum konnte deshalb nicht festgelegt werden.
Die Feier wurde deshalb aufgeteilt in eine offizielle Verkündung durch die Verantwortlichen in Luchnar am letzten Tage dreitägiger Feierlichkeiten, so dass jeder Bewohner des Landes, der die Wegstrecke zurückzulegen vermag, daran teilhaben kann. Im Frühjahr wird es einen weiteren Festakt geben mit Gästen aus ganz Drachenhain und anderen Teilen Heligonias, bei der voraussichtlich auch Fürst Leomar von Drachenhain, Foranan McDonough, Baron von Flaitney und Cailleen McGodfrey, Baronin von Gaeltacht anwesend sein werden.
Als Tag der letzten Ernte wurde der 27. Tag des 1. Xurl bestimmt. Maßgeblich war natürlich die Ernte im neuen Lehen, diese wurde aber so eingeholt, dass auch die Ernte in den anderen Teilen Luchnars abgeschlossen war.
So begannen sich am 28.Tag die Bewohner des Lehens und nach und nach immer mehr Gäste aus den Clangebieten in Kastelmond / Caistlmond, dem Hauptort des Lehens zu sammeln. Auf dem Dorfanger wurde ein großes Feuer entzündet. Speisen und Getränken standen auf Tafeln rund um den Anger und im Saal des Landhauses der Freifrau. In und um Kastelmond gab es aber viele weitere Möglichkeiten sich an kleineren Lagern aus Strohballen oder Fellen zusammenzufinden.
Die ersten beiden Tage des Erntedankes waren weitgehend frei von offiziellem Programm. Man aß und trank miteinander, unterhielt sich, sang alte und neuere, luchnische und tiefländische Lieder. An manchen Tischen wurde gespielt, auf freien Flächen kleinere Wettkämpfe und freundschaftliche Gefechte durchgeführt und vor dem Dorfe mehrere Utzganpartien bestritten, bei den die Mannschaften unabhängig von Zugehörigkeit und Herkunft bunt zusammenfanden. Abends rückte man am Feuer zusammen, erzählte sich Geschichten und Trivialitäten und sang und zechte bis tief in die Nacht.
Die zukünftige Freifrau oder Ceart Caraid des Lehens, Eylwine von Esclarmond hatte sich bis um den Mittag des zweiten Tages zwanglos unter den Feiernden bewegt und die neuen Gäste begrüßt, die auch an diesem Tag zahlreich eintrafen, sogar einzelne aus den naheliegenden Nachbargebieten, vor allem von der Drachentrutz, aus Flaitney und aus Wolfenfeld. Nun trat sie vor die Menge und verkündete, allen Interessierten das neue Lehen noch etwa näher zu zeigen. Drei Wanderungen waren organisiert – je nach Lust und Fußfertigkeit rund um Kastelmond, bis Rotmark und durch die Ausläufer der Moorgebiete oder bis nach Braunfriedensmoor tief im Lehen. Eine große Zahl der Gäste nutzte eine der Möglicheiten und bis die letzten wieder in Castelmond anlangten, brach schon die Nacht herein.
An diesem Abend wurde verkostet, was das Jahr an edlen Tropfen beschert hatte – Bier, Brände und Or-Ban aus den verschiedenen Gegenden Luchnars. Manch einer bereute am nächsten Morgen, nicht doch die eine oder andere Runde ausgelassen zu haben.
Um die Mittagszeit des dritten Tages versammelten sich Druidh und Sagai an einem Ort, der ein gutes Wegstück von Kastelmond entfernt war, auf einer Weide, die an die äußersten Ausläufer des Moores und an einen Wald grenzte. An diesem Grenzpunkt lag ein Cairn, eine Verbindung zur Anderwelt und die Druidh hatten die Weide für geeignet befunden. Natürlich waren sämtliche Druidh und Sagai des neuen Lehens anwesend, dazu manche aus den Clangebieten und einige Geweihte aus dem Osten Flaitneys, der an das neue Lehen grenzt. Sie bereiteten das Land auf den Wandel vor, der klein, aber weit mehr als politisch war.
In den folgenden beiden Stunden sammelte sich nach und nach auch die Festgesellschaft am Rande der Weide und gegen die zweite Stunde war auch der letzte größere Schwung an Gästen eingetroffen. Nur wenige waren in Kastelmond zurückgeblieben, die für den Weg zu gebrechlich waren oder die sich in den beiden vorherigen Nächten zu sehr verausgabt hatten.
Der dem Cairn zugehörige Druidh sprach zunächst einen Segen über den Ort, dann die anderen Druidh und Sagai über das Lehen, Luchnar, das Hochland, Drachenhain und ganz Heligonia. Schließlich wurden gute Botschaften zu den Sternen und mit Behutsamkeit in die Anderswelt gesandt. Die Stunde der Ausrufung war gekommen. Die Festgesellschaft betrat die Weide.
Als erstes sprach der Baron des Landes, Koldewaiht von Hautzensteyn. Er schlug den geschichtlichen Bogen zurück zum Dòrchiu, dem Bruderkrieg im Hochland vor bald hundert Jahren, der die Tiefländer letztlich erst nach Luchnar gebracht hatte, schilderte die wechselhafte Geschichte des Clans- und Vogtswesens über die Jahrzehnte und wie das System, das einst den Zwist überwunden hatte, neuen Zwist hervorrief und letztlich in etwas Neues münden musste.
Als nächstes sprachen nacheinander die Clansoberhäupter Gwarra Tekindra MadGlas, Gallory Lland MadRuadh und Flarn Flirhan MadUaine. Sie schilderten in teils sehr persönlichen Worten das Verhältnis der Clans und der Tiefländer zueinander während ihrer Zeit als Ceann und Ceanna Cuath, die jeweils mehr als 20 Jahre umspannte. Gwarra Tekindra brachte es in ihren Schlusssätzen wohl auf den Punkt: Sie konnte die Tieflandstämmigen als Hochlandbewohner annehmen, als sie begriff, dass das Land selbst sie angenommen hatte.
Zuletzt sprach Eylwine von Esclarmond, die neue Ceart Caraid. Die bittere Vorgeschichte von Teilen ihrer Familie mit den Clans streifte sie nur kurz und schilderte ihre Liebe zu dieser Gegend und wie das Lehen in den letzten Jahren mit Hilfe vieler aufgebaut worden war. Sie schloss mit den Worten: Und so rufe ich Dich, unser Land und Teil unseres Landes, bei Deinem neuen Namen: Artir!
Viermal rief sie den Namen und viermal wiederholte ihn die Menge. Kurz herrschte Stille. Dann strich plötzlich ein Wind über die Weide, im Wald rauschte es in den Wipfeln, aus dem Moor stieg Nebel empor und in der Ferne war ein Ächzen zu vernehmen.
Druidh und Sagai, die um die Weide gesessen hatten, erhoben sich und schritten langsam davon, in Richtung ihrer Cairns, ihrer Haine und Wohnstätten, um die enge, intensive Verbindung mit dem Land, die sie zuvor gewoben hatten, wieder zu lösen. Der Wind legte sich, die Menge fand zur Sprache zurück und begab sich, plaudernd oder sinnierend, in kleinen und großen Gruppen zurück nach Kastelmond. Er herrschte Einigkeit, dass ein guter Name gefunden war – Artir, übersetzt „Unser Land“.
Die Alten, die zurückgeblieben waren, hatten den vorbereiteten Holzstoß auf dem Anger angefeuert und mehrere Ballen auf einer Tafel geöffnet. In ihnen lagerte der Großteil der Jahresernte an Eithill, dem seltenen und kostbaren luchnischen Pfeifentabak, der nun unter den Gästen verteilt wurde. Etliche steckten sich eine Pfeife an oder labten sich an den neuen Speisen und Getränke, die vom Sitz der Ceart Caraid herbeigetragen wurden. Mancher nutzte aber auch die Gelegenheit, sich zu bedanken und zu verabschieden, insbesondere diejenigen, die noch einen weiten Weg vor sich hatten.
So schrumpfte die Menge über den Rest des Tages allmählich wieder, wie sie zuvor gewachsen war, bei Schmaus und Trank, Sang und Spiel, am Feuer und auf den Lagern. Die Stimmung war heiter, etwas ruhiger und besinnlicher als zuvor, doch wieder wurde für die, die geblieben waren, der erste Abend und die erste Nacht in Artir fröhlich und lang, unter guten Sternen und mit dem Segen aus anderen Welten.
Als Chronistin dieses geschichtsträchtigen Erntedankfests möchte ich mir einige Anmerkungen erlauben. Es war mir seit langem klar, dass ich vermutlich für den Heliosboten und ganz sicher für mich an der Ausrufung des Lehens teilnehmen würde und ich habe mich ebenso lange mit der Problematik dieser Gründung beschäftigt. In manchem Jahr rief allein die Erwähnung des Themas nur Desinteresse, Spott oder genervtes Kopfschütteln hervor.
Aus heutiger Sicht ist es aber hervorragend, dass es so lange gedauert hat. In der Vergangenheit hätte dies eine gespaltene Feier sein können, mit Anspannung auf beiden Seiten und dem Risiko, dass irgendein Vogtsbengel oder Clansbock, vielleicht auch eine Clanszibbe einen Eklat anzettelt, eine Rauferei provoziert oder Schlimmeres.
Mittlerweile ist das Lehen ohne eine offiziellen Ausrufung oder einen Namen fast vollständig aufgebaut. Viele Clansangehörige haben es besucht, Handelsverbindungen sind entstanden, Freundschaften. Die mittlere Generation beider Teile spricht die Sprache des anderen fließend, die jüngere in der Regel sogar akzentfrei. Es muss nicht mehr zusammengezwungen werden, was nicht recht zusammen will – es ist tatsächlich etwas zum Gutteil zusammengewachsen und wird dies weiter tun. Das Land ist ganz und heil.
Es war außerdem richtig, zwei Feiern zu planen. Die Luchner mussten diese Wunde zunächst für sich selbst schließen, sich auf sich konzentrieren, um erst in einem zweiten Schritt sich nach außen zu öffnen, auf hochrangige und der Hochlandsprachen unkundige Gäste zu achten und ein auch heligonisches Fest zu feiern. Hier, an Arán mussten keine Rücksichten genommen werden. In ihren Reden wechselten Baron und Freifrau je nach Thematik zwischen den Sprachen, die Clansoberhäupter und Druidh sprachen ausschließlich Luchnisch, die anderen Geweihten nur selten Heligonisch oder das Flaitneyer Idiom – alles eine Unhöflichkeit bei einer Vielzahl an tiefländischen Gästen, hier eine Selbstverständlichkeit.
Aber die heligonische Feier wird kommen. Auch Drachenhain, auch ganz Heligonia möge ganz und heil bleiben oder werden.
Auf Artir!
Kiondre MadRuadh