Am ersten Tag des 1 Xurlmondes wird in Darbor traditionell der Markt um den Redonsbrunnen abgehalten. Der kunstvoll gestaltete Trinkwasserbrunnen rückt an diesem Tag in den Mittelpunkt des ogedischen Lebens. Die Gläubigen strömen herbei, um sich mit dem klaren Wasser zu reinigen. Zahlreiche Xurlgeweihte wohnen der spirituellen Verehrung bei und bieten neben erleuchtenden Worten auch allerlei heilende Wässer an.
Plötzlich wurde die religiöse Szenerie durch das schrille Läuten der Ausrufer-Glocke gestört. Der Wesir des gräflichen Hauses, Makbul Ibn Ben Feysal, wurde auf den Rand des Brunnens gehoben, um von dort seine Stimme zu erheben.

„Geliebtes Volk unseres großen Herrschers!

Besorgniserregende Ereignisse suchen landesweit die Märkte heim. Gurken, groß wie Buraischwengel überschwemmen die Warenumschlagsplätze unserer Stadt zu lächerlich niedrigen Preisen. Optisch eine Augenweide, doch von fadem Geschmack, geradezu wässrig. Verzehrt man sie nicht sofort, dann wird über Nacht das ganze Ausmaß der Katastrophe gegenwärtig. Binnen weniger Stunden ändert sich der Aggregatzustand von fest zu flüssig – aus der beim Einkauf noch festen, knackigen Gemüse wird übelriechender Matsch.
Auf niederträchtige Art und Weise getäuscht wendet sich der arme, geprellte Darianer von den einstmals so geliebten Gurken ab. Die Frauen weinen über das Unglück, wenn sie ihren Familien statt leckerer Gurken nur eine verdorbene Brühe servieren können. Ob der Dringlichkeit der Angelegenheit hat sich der Dekan der renommierten Academica Rocorion höchstpersönlich um Klärung des Missstandes gekümmert. Ein endgültiges Ergebnis wird im nächsten Mond verkündet, doch es konnte bereits zweifelsfrei geklärt werden, dass es sich um unnatürliches Wachstum handelt. Die Gelehrten konnten sogar Rückstände magischer Strahlung feststellen. Es ist also anzunehmen, dass Gurken mittels Magie vergrößert wurden. Diese entwich jedoch nach dem Kauf, was dazu führte, dass die Verwandlung von der prallen Frucht zum schleimigen Brei nicht lange auf sich warten lässt.
Es versteht sich von selbst, dass kein Darianer es jemals in Betracht ziehen würde, einen solchen Frevel zu begehen, daher sei der Ursprung dieses Betrugs außerhalb der Landesgrenzen zu suchen. Unser geliebter Herrscher rät dazu keine ausländischen Gurken mehr zu kaufen und ein Einfuhrverbot werde gerade geplant.“
Kaum hatte der Wesir seine dringende Warnung ausgesprochen, so wurde sie unverzüglich von jedem Omu des Landes von den Türmen ausgerufen.

Jammernd und wehklagend verließ die enttäuschte Menschenmenge den Marktplatz vor dem Redonsbrunnen, um die naheliegendenTavernen aufzusuchen. Dort ertränkten sie ihre Enttäuschung über die Schändlichkeit der Menschen des Nachbarlandes, jedoch nicht ohne die Gläser auf den verehrten Grafen zu erheben.

Erschienen in Helios-Bote 82, Bazaar Darians