Als Resolution der letzten Herrscherbegegnung erließ Seine Allerdurchlauchtigste Majestät, König Aximistilius III. verschiedene Edikte, um das Königreich zu schützen.
ines der Edikte fordert die Sicherung der in jüngsten Jahren entstandenen, unnatürliche Übergänge zwischen Heligonia und dem weit entfernten Corenia in den Südlanden. Diese bergen unvorhersehbare Gefahren, da die unkontrollierten Übergänge den Feinden des Reiches offene Passagen für überraschende Angriffe ermöglicht.
Daher ist es von oberster Wichtigkeit, die Portale frühzeitig aufzuspüren und zu sichern. Hierfür ist vor allem der Einsatz von Fernwaffen erforderlich. Daher ist die Verbesserung und Entwicklung derselben voranzutreiben. Hierzu wurden Akademien und Universitäten beauftragt, sowohl das Aufspüren der Portale, als auch die Verbesserung von Fernwaffen zu erforschen, ebenso wie die Ausbildung von Fernkämpfern voranzutreiben.
Die Familie von Celvar lädt hierzu gemeinsam mit dem Kollegium der Freien und Ersten Punischen Akademie der Hohen Magie und des Arcanen Instituts zu Thalwacht interessierten Adel sowie Gelehrte auf das Anwesen Kolkweiler bei Bergwacht ein, um die bisherigen Erkenntnisse auszutauschen und voranzutreiben. Gelehrte seien dazu ermutigt, auch ihre Forschungen und Theorien zu den Portalen sowie Portalreisen kundzutun.
Doch werden auch andere Themen politischer und gesellschaftlicher Natur auf die Traktatenliste genommen, die auf der Zusammenkunft vorgestellt werden.
Talimee, Hofschreiberin zu Escandra
Unglaubliche Szenen spielten sich heuer im Nurianischen Herzogsbruck ab. Kaum war das Handelsschiff aus Rebenhain im Hafen angekommen, ging ein Flüstern durch die Schar von Hafenarbeitern. Gerade als die Schiffsbesatzung die Fässer mit Rebenhainer Rundeldling abladen wollten, machte sich ein Haufen aufgebrachter Menschen auf, das Schiff zu stürmen. Sie jolten und schrien, als wollten sie es den Wasservöglen auf dem Jolborn gleich tun. Ihr Körper war mit Stofffetzen und Fellen behangen, im Gesicht prangten rotfarbige Striche, das Haar war mit Taubenfedern geschmückt und bewaffnet waren sie mit Stuhlbeinen und Brecheisen. Wenn mir die Gesichter nicht irgendwie bekannt vorgekommen wären, hätte ich die wilde Horde als Bewohnern der Ödlande verortet. Von diesem garstigen Anblick schockiert, ergriffen die Seeleute planlos die Flucht; einige sprangen panisch über Bord in den Fluss. Die Meute, welche nun freie Bahn hatte, schnappten sich die Fässer mit Rebenhainer Rundeldling, brachen sie auf und schmissen sie über Reling. Verzweifelt musste ich mit ansehen, wie die von mir orderte Ware von den Fluten des Jolborn geschluckt wurde. Doch was hatte diese Meute nur geritten diesen leckeren und preisgünstigen Wein zu vernichten? Dieser Tag wird mit Sicherheit einen unrühmlichen Platz in der Geschichte einnehmen.
Schankwirt Peter Schluck
Es begab sich im zweiten Saarkamond als ich zu einen Akademie Symposium nach Moosbach geladen war. Ich versprach mir neue Erkenntnisse über Portale und wie man diese zum Wohle Heligonias einsetzen könne. Schon die Eröffnungsrede zeugte von einem wirklich extrem hohen Selbstbewusstsein des Lehrkörpers, welches nur von der fehlenden Moral übertroffen wurde. Neben meinem eigenen Vortrag war ich hauptsächlich damit beschäftigt, Geschichten die aus Büchern entflohen waren, wieder in diese zurückzustopfen. Die Geschichte des Aschenbrösels erforderte besonders viel Aufmerksamkeit. Die Studentenschaft kürte mich zum Weißen Prinzen, um eine Verbindung zu der Geschichte der ungeliebten Stieftochter herzustellen. Die Wissenschaft erforderte es, dass ich den ganzen Abend mit der hübschen Aschenbrösel tanzte. Nur mit einem vollendeten Ballabend war es möglich sie zur Rückkehr in ihre Geschichte zu bewegen. Als die Aufgabe vollendet war, fragte mich doch tatsächlich das Buch, ob ich für immer in der Geschichte bleiben wolle um in unendlicher Liebe mit Aschenbrösel verbunden zu sein. Der aufmerksame Leser wird sicher verstehen, dass ich dieses verlockende Angebot nicht annehmen konnte. Eine besondere Führungsrolle bei der Entschlüsselung der Bibliotheks-Geheimnisse nahm Shanti de Lysiere, Magistra in Silberquell, ein. So hoffe ich auf einen künftigen Wissensaustausch zwischen Heligonia und Silberquell.
Metabor, Erwählter des Helios
Dekan der Hochschule Elionera zu Jolbruck
Um der 15 Jahre währenden Regentschaft seiner Großmutter und Witwe Herzog Uriels II. ein Denkmal zu setzen, stiftete Seine Erlaucht Herzog Angilbert I. im 3. Saarkamond, 45 n.A.III die Regentin-Walluma Spange. Walluma von Ostarien arbeitete seit dem Tode ihres Gemahls maßgeblich an der Einheit Ostariens über die Religionsgrenzen hinweg. Die Regentin konnte erfolgreich die innerostarischen Konflikte beenden, welche das Herzogtum beinahe zerrissen hätten und die hauptsächlich durch Glaubenszwistigkeiten verursacht wurden. Heutzutage, so Herzog Angilbert in seiner Stiftungsansprache, wäre man mit ganzem Herzen Ostarier und erst in zweiter Linie Ceride oder Ogede.
Die Walluma-Spange verbindet gleichsam zwei Mantelsäume (als Symbol der Religionen) miteinander, dem Herzogtum und damit auch dem Königreich Heligonia und den Menschen darin zum Wohle.
Die ersten, denen die Ehre zuteil wurde, die Spange entgegen zu nehmen, waren Seine Hochwohlgeboren Richard von Arnach, Baron zu Arnach, Seine Hochwohlgeboren Adalbert von Torpstein, Baron zu Hohenforingen und der Edle Normund von Lodenburg, Ritter der Templer von Ankur. Die Herren hatten sich, als ceridische Adlige, bei den Ereignissen auf dem Vortreffen zur Herrscherbegegnung, am Gutshof des Reichsritters Raphael von Sarmand nicht nur durch ihren selbstlosen Einsatz um das Reich verdient gemacht, sondern sich auch über die religiösen Grenzen hinweg für das Wohl aller eingesetzt.
Die Überreichung fand am 4. Tag des 1. Poenamondes 45 n.A.III im herzöglichen Familien-Stadtpalast in Escandra unter Beisein von Herzogen-Großmutter Walluma und Herzogen-Großonkel Herian statt.
31. Tag 3. Helios 46, abends
Nach Einbruch der Nacht erreiche ich die Karawanserei „Zur großen Linde“. Ich will gerade nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragen, da ist von draußen Geschrei und Geklirr zu hören. Unmittelbar darauf stürmen mehrere Söldner in die Taverne, entwaffnen und durchsuchen alle Anwesenden, dann werden sämtliche Gäste aus dem Außenbereich in die Taverne getrieben und ebenfalls festgesetzt. Die Söldner tragen schwarze Kleidung und das neue Wappen Arobens: Links den beridhanischen Bär auf rotem Grund, rechts den schwarzen Raben auf weißem Grund. Ein Hauptmann namens Valerian erklärt die Taverne zu seinem neuen Hauptquartier. Auf einen Zwischenruf, was das alles bedeute, antwortet er: „Der Herr will prüfen, ob man ihm hier ergeben ist.“ Ein Magus in schwarzgoldener Robe betritt den Raum, fuchtelt mit einem Dolch herum und macht einen eher hysterischen Eindruck, als würde er unter großem Druck oder auch einer Portion Rauschkraut stehen. Der Hauptmann erklärt, der Herr hier würde sich nun umsehen, ob jemand von uns nützliche Fähigkeiten habe. Ist also mit „Herr“ nicht Aroben, sondern dieser Magier gemeint? Der legt dem Nächstbesten die Hand auf die Schulter und sieht ihm in die Augen. Ist er ein Mentalist? Es muß bei dem Verdacht bleiben, da ich zum Glück unbehelligt bleibe.
Nach etwa einer halben Stunde ist plötzlich Lärm zu hören. Offensichtlich gibt es draußen Schwierigkeiten! Wir nutzen die Ablenkung für ein kleines Handgemenge und öffnen die Tavernentür: Zu meiner großen Verblüffung ist soeben ein heligonischer Truppenverband eingetroffen! Neben den O’Brians, den Magistern Quendan und Mira Mabignon und einigen anderen Bekannten ist zu meiner großen Freude auch der Orden des Lichts unter Martin Dorn dabei. Angeführt wird die ganze Gruppe von Ritter Ewald von Hüttstatt aus Tlamana, den allerdings ein vergifteter Dolch (des Magiers?) schwer verletzt hat. Magister Quendan erzählt mir, dass sie über ein magisches Tor im angrenzenden Wald angereist seien, allerdings wären die auf der Vjoshavener Seite stationierten Magister verschwunden, und alles habe wie eine magische Explosion ausgesehen. Es sei zweifelhaft, ob man von hier aus durch dieses Tor zurückkehren könne.
Kurz darauf trifft eine weitere Söldnergruppe ein, deren Befehl lautet, sich hier mit Hauptmann Valerian zu treffen. Sie haben eine zerlegte Ballista und mehrere Korbflaschen bei sich. Schnell entsteht ein weiteres Scharmützel, bei dem eine der Flaschen eingesetzt wird: Zerbrochen verbreitet sie einen furchtbaren Gestank, der die Kämpfer zu starkem Husten reizt und so außer Gefecht setzt. Als wirksames Gegenmittel stellt sich Pfefferminztee oder –öl heraus. Der Kampf ist zum Glück schnell zu unseren Gunsten entschieden. Von einem gefangenen Söldner erfahre ich, dass er vor kurzem von diesen „Rabentruppen“ angeheuert worden war, wie viele andere in den Dörfern, und man sich hier und heute sammeln solle. Versprochen waren ordentlicher Sold, Verpflegung, Stiefel und alles, was so dazugehört. Der Herr hätte Geld und habe in letzter Zeit bei den Nachbarn ordentlich eingekauft. Er will in sein Land zurück und seine rechtmäßigen Ländereien zurückerobern. Und jetzt geht es eben endlich los. Morgen sei er da. Mehr wußte er nicht zu sagen. Aroben also doch im Anmarsch! Da die Länder östlich und westlich von Corenia kaum Bedeutung haben, kann es sich bei den „Nachbarn“ eigentlich nur um den Süden handeln, das sogenannte Reich der Mitte. Dies deckt sich auch mit Arobens Ausruf beim Adelstreffen „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“ Gut vorstellbar, dass das Reich der Mitte jede Gelegenheit wahrnimmt, reichsfremde Unruhestifter zu unterstützen, um in Heligonia Chaos zu verbreiten. Von meinem Kontaktmann erfahre ich noch am Abend, dass das Tor im Wald bis gestern nur ein „Riß“ gewesen sei, Valerians Truppen aber heute erst Stelen zur Stabilisierung aufgestellt hatten. Es scheint, dass dieser Riß von Aroben erst vor kurzem entdeckt worden ist, und nun hier das Hauptquartier errichtet werden soll, von dem aus seine Truppen nach Heligonia übergesetzt werden sollen. Dies gilt es nun zu verhindern.
01. Tag 1. Xurl 46, vormittags
Nach einer erstaunlich ruhigen Nacht tauchen immer wieder einzelne Gruppen von Söldnern auf, die sich mehr oder weniger einfach abwehren lassen.
Mehrere Leute im Lager erzählen von ähnlichen Träumen: Sie sahen drei Personen um eine Art Liege mit einem Gefangenen. An ihm wurde ein Apparatus angebracht, der ihm unter Schmerzen die Lebensenergie oder Seele entzog. Sie wurde darauf einem neuen Körper eingegeben. Einige sprachen auch von Totenerweckung, jedenfalls erinnerte die Schilderung stark an den Essenzapparat von Aroben. Keine der drei Personen sah allerdings wie Aroben auf meinem Steckbrief aus!
NB. Aus einigen Wassergefäßen und Muscheln ist Rauschen und Flüstern zu hören, das einige Leute als Gebet an Xurl verifizieren. Die Meinung der Geweihten und Schamanen geht dahin, dass das Wasser des Ortes durch irgend etwas unrein geworden ist und gereinigt werden müsse.
Auch ein anwesender Barde hatte vor einiger Zeit eine Eingebung für ein Lied, das ich mir anhöre: Es handelt von den Wasserwesen Alalusa, die ein friedliches Volk waren, bis sie eines Tages vom Reich der Mitte überrannt wurden. In ihrer Not taten sich die Schamanen mit ihrer Kraft zusammen, und der große Alalusa kam vom Himmel herab. Er brachte drei Lanzen, mit deren Hilfe das Reich der Mitte zurückgedrängt werden konnte. Als ich kurz danach mit dem Wirt rede, spricht dieser plötzlich mit anderer Stimme zu mir: ‚Dass der große Alalusa von seinem Meer oben auf das Meer herunten sah, und etwas ist aus dem Gleichgewicht geraten, ein gefiedertes Wesen ist hier und verbreitet Chaos (Rabe?). Und unsere Kinder haben die Ahnen vergessen.‘ Ich frage nach diesen Kindern, und er beschreibt die Corenier. Magistra Mira bestätigt mir darauf, dass aus diesen Menschen offenbar gerade alte Alalusa sprechen. Magister Quendan äußert auch die Vermutung, dass diese drei Lanzen oder Artefakte bis heute einen Schutz vor dem Reich aufrecht erhalten, dieser aber nun irgendwie geschwächt wurde. Wie auch immer, hier ist in der Tat etwas aus den Fugen!
Die Apparatus-Träume bestätigen sich, als ein Mann auftaucht, in dessen Körper offenbar zwei Seelen stecken: Die eine bekämpft panisch jede Erinnerung an „das Ding“, an das der Körper angeschlossen war, die andere gibt sich arrogant und überheblich. Auch als einige gefangene Söldner verhört werden, stellt sich eine gewisse Verstocktheit heraus: Sie haben keinerlei Angst vor dem Tod, da sie „der Herr“ jederzeit wieder in einen neuen Körper stecken kann. Entsprechend nutzlos ist auch der Versuch einer Abwerbung: Das Versprechen der Unsterblichkeit ist weitaus interessanter als mehr Sold.
In der Tat wird bei einem weiteren Angriff vom Orden des Lichts ein Apparatus erbeutet, der schnell als „Absauger“ bezeichnet wird. Nach einer Untersuchung von Herrn Quendan ist klar, dass keine Seelen enthalten sind, es muß also einen weiteren Apparatus geben. Kann er über Resonanz gefunden werden? Eine interessante Analyse von Magister Quendan: Der Apparatus hat sowohl magische als auch religiöse Komponenten. „Jemand, der sich damit auskennt, hat von Allem etwas Nützliches genommen und zu einem unguten Mischmasch zusammengestöpselt.“
Dieser Jemand erhält bald einen Namen: Magister Exordus Brechnuss! Dieser Magus lebte zu Zeiten Arobens und wurde offenbar ebenfalls von Rabe aus der Vergangenheit ins Leben zurückgeholt. Auf Wunsch Arobens? Er scheint für seine Pläne Spezialisten für Apparati, magische Tore und dergleichen zu benötigen und greift dafür auf alte Bekannte zurück…
Mittags:
Nun soll endlich das Tor im Wald erforscht werden. Natürlich wird es gut verteidigt, und letztendlich wird die Stele, die die Stabilisierung gewährleistet hat, vom Feind selbst zerstört. Es handelte sich auch hier um eine Mischung aus arkaner und religiöser Macht. Das Tor beginnt sich hierauf wieder zu einem Riß zu verschließen und wird äußerst instabil. Magister Quendan rät von einem Durchschreiten dringend ab. Immerhin ist es nun für beide Parteien eine Patt-Situation: Keiner kommt jetzt durch das Tor nach Heligonia.
Als wir zurückkehren, waren inzwischen drei Geweihte im Lager, die darüber klagten, dass ihnen vor einiger Zeit drei Artefakte aus ihren Schreinen gestohlen wurden. Einige erinnern sich, im Traum auf dem Apparatus eine leuchtende Kugel gesehen zu haben. Dies bestätigt unsere Vermutung, dass von Arobens Spezialisten gezielt Artefakte mit göttlicher Macht „besorgt“ und mit arkaner Magie verbunden werden. ( Anm.: Gibt es hier einen Zusammenhang zu der ungeklärten Diebstahlserie einiger religiöser Gegenstände vor etlichen Jahren in Heligonia?)
Nachmittags:
Unmittelbar darauf werden wir von einer großen Gruppe Rabensöldner attackiert. Brechnuss und ein truhengroßer Apparatus sind ebenfalls vor Ort, auf ihm die leuchtende Kugel! Trotz mehrerer tapferer Angriffe scheint eine Eroberung des Apparatus aussichtslos, wir müssen uns notgedrungen auf eine Verteidigungsstellung zurückziehen. Dennoch war Brechnuss offenbar gezwungen, seine zahlreichen Toten zu schnell wiederzubeleben, so dass der Apparatus zunehmend überhitzt: Schließlich gibt es einen lauten Knall, eine Explosion, und alle verlieren das Bewußtsein.
Das Gefühl, aufzustehen und seinen Körper weiterhin liegen zu sehen, ist schwer zu beschreiben. Sind wir tot? Während wir einem inneren Zwang folgen, zur Taverne zurückzukehren, ziehen sich die Geister der Feinde maulend ebenfalls zurück: ‚Nicht schon wieder!‘ oder ‚Er hat uns versprochen, dass das nicht mehr passiert!‘ ist zu hören. Scheint so, als ob Apparatus-Magie nicht Brechnuss‘ Stärke wäre.
Obwohl Herr Evertun, Geweihter des Helios, ein Gebet an Gwon spricht, müssen wir nach einiger Zeit feststellen, dass dieser auf sich warten läßt. Weil hier Rabe noch an der Macht ist? Oder passiert hier etwas ganz anderes? Im Laufe mehrerer Stunden erleben alle „Toten“ eine Reihe von teils verwirrenden, teils skurrilen Aufgaben, die sich aus verschiedenen Jenseitsvorstellungen zusammensetzen, überwiegend jedoch ogedischen Glaubens. Das Ganze kommt einer „Seelenreise“ recht nahe: Empfang, Prüfung des Lebens, Beurteilung, Sendung. Tatsächlich mündet der Bewußtseinszustand nach erfolgter Prüfung wieder in der Wirklichkeit, in die man (wenigstens körperlich) unversehrt zurückkehrt.
Zuvor aber begleitet mich ein Alalusa einige Schritte. Er entschuldigt sich vielmals für das, was geschehen ist, aber sie hätten keine andere Möglichkeit gesehen, mit uns in Kontakt zu treten. Es tut ihnen leid, dass sie diese Bilder wählen mußten, aber sie glauben, dass sie dadurch am besten mit uns reden konnten und wir verstehen. Sie hätten damals die Drei Lanzen nicht zurückgegeben, das sei ein Fehler gewesen. Und ihre Kinder hätten nun ihre Ahnen vergessen und so vieles andere. Als Wiedergutmachung gibt er mir eine Frage frei, die ich den Alalusa bei Bedarf stellen könne.
Außerdem sei der Aroben, den ich suche, tatsächlich hier im Land Corenia, aber nicht in der Nähe. Aber derjenige, der mit den Artefakten herumgespielt habe, sie nun nicht mehr hier.
Schließlich wache ich auf. Der vermeintliche Tod war, wie sich später herausstellt, eine tiefe Bewußtlosigkeit.
Abends:
Im Lager erfahre ich, dass offenbar alle zurückgekehrt sind und eine Frage frei bekommen haben. Allerdings hatten wohl nur Herr Evertun und ich die Ehre, vom „Hauptmann der Alalusa“ persönlich zurückbegleitet zu werden, wofür ich leider keinen befriedigenden Grund weiß.
Während der Zeit unserer Bewusstlosigkeit sorgten die wenigen Frauen des Lagers, die die Explosion nicht erreicht hatte, dafür, dass die drei gestohlenen Artefakte den Geweihten zurückgegeben wurden. Die Reinheit des Ortes kann also wieder hergestellt werden.
Nach einiger Beratung beschließt der Orden des Lichts, die Suche nach Aroben in Corenia noch einige Zeit fortzuführen, während ich in wenigen Tagen zu den Schiffen zurückkehren muß. Da sich Ritter Ewald zunehmend erholt, wird es sicher in den nächsten Tagen eine Entscheidung zu Verbleib oder Rückkehr geben. Hier in Walgenhain wurde der Beginn einer Invasion jedenfalls verhindert; Aroben muß nun erst einen neuen, brauchbaren Riß finden. Für dessen Stabilisierung benötigt er einen fähigen Magus, was nach dem Verschwinden bzw. Tod von Brechnuss zumindest zu einem zeitlichen Aufschub führen könnte. Die Gefahr eines Einmarsches ist aber leider nicht gebannt, sei es durch ein weiteres Tor oder – ganz profan – mithilfe einer Flotte.
Nav. Elisabeth Wolkenstein
Nicht wenig erstaunt war der Glefenbacher Fuhrmann Ingfred, als er – wie mehrmals im Jahr – am 27. des III. Saarka mit seinem Ochsenfuhrwerk eine Ladung Buchweizen über die neue Straße nach Schwarzsee karren wollte.
Natürlich hatte er damit gerechnet, dass es nach den ausgiebigen Regenfällen der letzten Wochen hier und da ein paar Stellen gibt, an denen auf der nur dürftig befestigten Straße die Räder etwas tiefer als sonst einsinken. Darum hatte er auch zwei kräftige Helfer mit Schaufeln dabei, die gemächlich neben dem Fuhrwerk entlangtrotteten und allzu matschige Stellen geschwind ausbessern könnten. Sie waren schon bei Morgengrauen aufgebrochen, auf dass sie bis zur Dämmerung auch sicher an ihrem Ziel ankommen würden.
So ging es zunächst recht zügig dahin. Auf der hervorragend ausgebauten Aximistiliusstraße ohnehin, und zunächst auch von der Abzweigung den dicht bewaldeten Hang hinauf Richtung Schwarzsee. Das ein oder andere Mal kamen die Schaufeln zum Einsatz, doch das war um diese Jahreszeit nichts Ungewöhnliches. Auch einen vom Sturm entwurzelten Baum, der die Straße versperrte, konnten sie mit dem kleinen Fuhrwerk noch umfahren.
Doch kurz bevor sie in einer natürlichen Scharte zwischen zwei Felswänden die Passhöhe des Weges erreichen hätten sollen, stießen sie auf ein Hindernis, das die drei Mann mit ihren zwei Schaufeln unmöglich beseitigen konnten: Es war als hätte der Berg den Weg verschluckt. Denn die Straße führte nun geradewegs hinein in einen mehrere Meter hohen Haufen aus Lehm und Geröll, der den Pass komplett versperrte. Einer der Begleiter kletterte auf den Geröllhaufen, um herauszufinden, wie breit der Erdrutsch denn war und wieviele Leute und Zeit man denn wohl brauche, um den Weg wieder passierbar zu machen. Doch das Hindernis war so groß, dass er es nicht einmal bis ganz nach oben schaffte. Unverrichteter Dinge musste der Fuhrmann also mit seinen Gehilfen umkehren.
Der neue Weg nach Schwarzsee ist damit auf unbestimmte Zeit gesperrt. Bis auf weiteres ist nun wieder der alte Weg durch die Schwarzbachklamm, der bekanntermaßen nur zu Fuß begehbar ist, die einzige Möglichkeit das Hochtal von Schwarzsee zu erreichen.
An eine Räumung des Erdrutsches ist vor dem Frühling nicht zu denken. Doch auch danach ist die Zukunft des Weges offen: Denn spätestens seit der Xurlgeweihte von Schwarzsee in der Kanzlei der Antrutzen vorstellig wurde, um zu fordern, dass die neue Straße aufgegeben werde, mehren sich die Stimmen, alles so zu belassen wie es ist. Denn es sei gegen Xurls Willen gewesen, dass die neue Straße errichtet werde, so habe er sie durch seine göttliche Kraft zerstört und Xurl werde auch weiterhin diese Straße nicht dulden. Diesmal sei es glimpflich ausgegangen, doch sollte man versuchen, die Straße wieder nutzbar zu machen, könnte das schlimme Folgen für die Beteiligten haben.
In der Tat hatten die Geweihten schon vor der Errichtung des neuen Weges davor gewarnt, die Bedeutung des alten Xurl-Schreins am Weg durch die Schwarzbachklamm durch den Bau eines neuen Weges zu verringern, da Xurl dadurch verärgert werden könne. Nach Ansicht der Schwarzseeer ist das nun eingetreten.
Elisabetha die Kursive, Berichterstatterin an der Kanzlei der Antrutzen
Fast vergessen, doch nicht minder wichtig, sollen unter diesem Titel und mit den folgenden Zeilen namhafte Noble des Landes in ihrem Wirken und Sein portraitiert und damit dem Leser näher vorgestellt werden.
Im Folgenden stellen sich die Lehnsnehmer von Eberswald, in der Baronie Rebenhain gelegen, selbst vor.
Dem Leser ergebenster Diener,
Meister Schillwunk „die Feder“ Radeweyd,
Drachenhainer Hofchronist
Eberhard von Bornhausen
Graf von Borntal
Ritter zu Rebenhain
in freundschaftlicher Verbundenheit zum Wissen aller, meinen Weg bis zum jetzigen Tage kundtun.
Als zweitgeborener Sohn meines Vaters Friedrich von Bornhausen und meiner Mutter Edelfriede von Ausigsburg wurde ich in eine Zeit der Befriedung nach einem unerbittlichen Krieg um die Verteilung der Ländereien auf der Insel Felsenstolz geboren. Die politische Ordnung ließ eine lange Zeit des Friedens erhoffen.
Mein Oheim Peter von Bornhausen, Graf von Borntal unterrichtete mich in der Führung sämtlicher Waffen und in der Einhaltung und Ausführung der höfischen Etikette. Mein Bruder, Pipin der Mutige, erbte nach geltendem Recht nach dem Tode der Eltern Westborn. Ich blieb noch einige Jahre bei meinem Oheim um mit ihm so manche Nacht über die Welt und deren Werdegang zu philosophieren.
Mit einem scharfen Schwert und einem noch schärferen Geist ging mein Weg hinaus in die Welt um keinem Streit für die gute Sache aus dem Wege zu gehen. Abenteuer kamen mir zumeist im rechten Augenblick entgegen. Kam ich zu einem Fest, so nahm ich auch hier den Kampf mit Wein, Bier, Schweinen, Hühnern, Ochsen und Wild furchtlos auf.
Bei einem Besuch auf meiner Heimatinsel Felsenstolz lernte ich meine Gemahlin Adelina von Hohenfeld kennen und lieben. Gemeinsam zogen wir durch viele Stürme, fochten so manchen Strauß und gingen für die Gerechtigkeit so manches Mal knapp an der Endlichkeit vorbei.
Nach erfolgreich bestandenen Abenteuern schlug mich Krator von Rebenhain zum Ritter. Als wir nach der Geburt unserer prachtvollen Kinder uns nach einem ruhigeren Leben sehnten, überlies uns Krator von Rebenhain die Burg Eberswald als Lehen.
Mein Oheim Peter von Bornhausen ließ vor Jahresfrist nach mir rufen. Ich folgte seiner Bitte und saß so manche Nacht im Schlafgemach Peters, in der er mir sein Geschäft mit dem Salz erklärte und immer wieder meine Meinung wissen wollte, wie mit Bediensteten und abhängigen Untertanen zu geschirren wäre.
An einem Abend an dem der Wind kühl von den Bergen strich, die ersten braunen Blätter von den Bäumen ins Ungewisse segelten, die Schatten der flackernden Kerzenflamme an der Wand bizarre Bilder hinterließen, rief mich mein Oheim zu sich. Er teilte mir mit, da er nie verheiratet und kinderlos geblieben, sollte ich an Stelle eines Erben treten. Er habe alles von seinem Advokaten festlegen lassen. Somit seien alle möglichen Streitigkeiten aus dem Wege. Ich würde Land und Titel erben. Wenige Tage nach diesem kurzen aber bestimmten Gespräch bekam ich die Nachricht, dass es mit ihm zu Ende gehe. Ich eilte an sein Sterbebett und sah ihn in Ruhe gehen!
Eberhard von Bornhausen
Graf von Borntal
Ritter zu Rebenhain
einige unter Euch mögen sich an mich Adelina von Hohenfeld erinnern, als Gastgeberin gemeinsam mit meinem Gemahl Eberhard von Bornhausen beim Rebenhainer Eberswaldfest. Einige mögen sich auch wundern über meinen neu erworbenen Titel einer Gräfin. Dies ist eine lange Geschichte, die ich kurz aufzeichnen möchte.
Das Licht der Welt erblickte ich auf der Insel Felsenstolz auf dem Gut Hohenfeld, nach dem zu Ehren meiner werten Mutter, die naheliegende Ansiedelung benannt wurde, im Freien Hohenfeld-Dillenstein. Als erstgeborenes Kind meiner werten Eltern Freiherr Ludewig von Dillenstein und Freifrau Klara von Hohenfeld genoss ich eine meinem Stand gemäße Ausbildung um später die Güter meiner werten Eltern zu übernehmen und zu führen. Zu meinem Gemahl haben meine werten Eltern Pipin von Bornhausen auserwählt.
Die Verträge waren bereits vorbereitet, als das Schicksal mit seiner ganzen Allgewalt zuschlug. Bei den Vorbereitungen der Hochzeitsfeierlichkeiten lernte ich den jüngeren Bruder, meinen Gemahl Eberhard von Bornhausen kennen und lieben. Da ich die Verfügungen meiner werten Eltern missachtete und den nicht erbberechtigten jüngeren Bruder ehelichte, verlor ich die mir durch Geburt zustehenden Rechte.
In unseren jungen Jahren führten wir ein unstetes Leben. Wir durchstreiften viele Länder, immer auf der Suche nach Abenteuern. Da meine Ausbildung auch die Handhabe der Waffen einschloss konnte ich meinem Gemahl bei mach einem Scharmützel und bei vielen seiner ihm aufgetragenen Aufgaben zur Seite stehen.
Seit der Geburt unserer prächtigen Kinder fiel mir das unruhige Leben zunehmend schwerer. Das Schicksal meinte es gut mit uns. Krator von Rebenhain überlies uns Burg und Ländereien Eberswald als Lehen. Dort verbrachten wir glückliche Jahre und wir konnten uns um die Erziehung und Ausbildung unserer Kinder bemühen.
Dann hat das Schicksal nochmals mit all seiner Allgewalt zugeschlagen. Den Oheim meines Gemahls, Peter von Bornhausen mussten wir zu Grabe tragen. Da er ohne Nachkommen geblieben war, wurde er von meinem Gemahl beerbt. Mein Gemahl erbte nicht nur die Ländereien und Güter, sondern auch den Titel des Grafen. Nach geltendem Recht auf Felsenstolz wurde ich zur Gräfin.
Durch diese Wendung des Schicksals wurden meine werten Eltern milde gestimmt. Sie verziehen mir meinen einstigen Ungehorsam, da ich nun nicht mehr unter Stande verheiratet war. Sie gaben mir alle meine mir durch Geburt zustehenden Rechte und Pflichten zurück. Zur Besiegelung unserer Verehelichung erhielten wir Edelsteine aus den Minen meines werten Vaters gefasst in Silber aus den Höhlen des Steinbärengebirges zu edlen Ringen verarbeitet.
Durch die Erbschaft meines Gemahls und meine wieder erworbenen Rechte sind wir in der glücklichen Lage unserem Dank Ausdruck zu verleihen, für die uns entgegen gebrachte wohlgesonnene Aufnahme im sonnigen Rebenhain. Bereits bei der Herrscherbegegnung haben wir mit Krator von Rebenhain einen Vertrag besiegelt über die Errichtung eines Waisen- und Witwenhauses. Es ist uns durchaus möglich dieses Vorhaben durch Baumeister und Handwerker aus unserer Heimat errichten zu lassen. Wir würden es jedoch begrüßen, wenn dies durch ortsansässige Baumeister und Handwerker geschehen würde. Wir haben grobe Zeichnungen anfertigen lassen, die wir gerne zur weiteren Bearbeitung interessierten Baumeistern zur Verfügung stellen.
Adelina von Hohenfeld
Gräfin von Borntal
Freifrau von Hohenfeld-Dillenstein
Zur causa Erdrutsch auf der Straße nach Schwarzsee (der Bote berichtete).
Laut tönten die Schwarzsee(h)er und allen voran ihr Xurlgeweihter schon vor dem Bau der Straße über den Bocksbergrücken nach Schwarzsee: Man solle das sein lassen, das würde Unglück bringen, Xurl sei dagegen und so weiter und so weiter…
Auch in Glefenbach hörte man kritische Stimmen über den Bau: Zu teuer sei das Vorhaben, nur um eine rückständige Gemeinde mit seltsamen Traditionen, die doch schon immer lieber für sich bleiben wollte, besser an die Zivilisation anzubinden.
Nun, da ein Erdrutsch ein langes Wegstück unter sich begraben hat, fühlen sich die Warner und Mahner bestätigt.
Da ich immer im Auftrag der Wahrheit unterwegs bin, habe ich mir die Mühe gemacht, den Unglücksort kurz nach dem Bekanntwerden des Erdrutsches zu besichtigen. Spannend ist dabei nicht die verschüttete Straße, sondern der Bereich oberhalb, wo der Hang abgerutscht ist. Hier sieht man, dass sich ein großes Stück Fels von einer Felswand gelöst hat. Doch die Abbruchkante war geschwärzt von Ruß. Hat hier ein Blitz eingeschlagen und dem Willen Xurls Nachdruck verliehen? Eher nein würde ich sagen, das ganze sah mir eher danach aus, als habe ein Alchimist hier seine Spuren hinterlassen.
Ist das Abstürzen des Hangs also wirklich Xurls Wille? Ich sage nein!
Es war der Wille des Xurlgeweihten von Schwarzsee und der Schwarzmüllers aus dem Schwarzbachtal, unterstützt von einem Unbekannten mit einer großen Menge Schwarzpulver.
Sollte man die Straße wieder aufbauen? Ich sage wiederum nein! Lasst die rückständigen Schwarzseeer sich in ihrer selbstverschuldeten Rückständigkeit suhlen, bis sie schwarz werden!
Sollte man das Ganze also auf sich beruhen lassen? Ein drittes Nein! Die wahren Schuldigen müssen gefunden und bestraft werden! Hier wurde etwas zerstört, das von unserem Zehnt bezahlt wurde. Lasst die Verursacher dafür bezahlen und mit dem Geld etwas Sinnvolleres tun, etwa die Straße nach Nebelhorn ausbessern oder den Bau einer Stadtmauer in Glefenbach beginnen!
Ein Kommentar von Alfred Spitzfeder, Barde und freier Berichterstatter
Glefenbach, Antrutzen.
Lehrlinge und Gesellen gesucht
Die Antrutzer Zunftmeister berichten übereinstimmend über einen allgemeinen Mangel an Lehrlingen und Gesellen im Antrutzer Handwerk. Besonders eklatant ist der Mangel bei Tischlern, Zimmerleuten, Fuhrleuten, Küfnern, Wachsziehern und Gerbern.
Bewerber – gerne auch von außerhalb der Antrutzen – werden gebeten, sich beim Zunftmeister der jeweiligen Zunft zu melden.
Neue Silberader bei Nebelhorn gefunden
Nach einer jahrzehntelangen Durststrecke im Antrutzer Bergbau gibt es endlich einen Silberstreif am Horizont: Bei Probegrabungen wurde in einem Seitental in der Nähe von Nebelhorn eine neue Silberader entdeckt. Noch ist nicht klar, wie ergiebig das neue Vorkommen ist, aber das Erz ist von guter Qualität und die Stimmung in der vom Unglück gezeichneten Gemeinde ist nach langer Zeit endlich wieder vorsichtig optimistisch.
Einbruch im Jagdhaus des Kanzlers
Zwischen dem 12. und dem 14. Tag des II. Helios wurde im Jagdhaus von Kanzler Eduardo Franpani vom Rad ein Einbruch verübt. Der oder die Täter hebelten einen Fensterladen aus den Angeln und verschafften sich so Zutritt in das Gebäude, das zwischen Nebelhorn und Apfelstett liegt. Da der Kanzler nach eigenen Angaben „nichts für Prunk übrig“ habe, fiel die Beute eher mager aus. Es wurde vor allem Jagdbekleidung gestohlen. Einziger vermisster Gegenstand von höherem Wert war ein hochwertiger Jagdbogen mit dazugehörigen Pfeilen. Für Hinweise die direkt zur Ergreifung des Täters oder der Täter hat der Herr vom Rad eine Belohnung von 10 Dukaten ausgelobt. Sollte der Täter bereuen und sich selbst mit der Beute stellen, so wird ihm eine verhältnismäßig milde Strafe zugesichert.
Veröffentlicht durch Amtsschreiberin Elisabetha d.K.
Hiermit sei feierlich die Geburt unseres Sohnes, Andaryn von Turlach und Ossiaris, am Gwontag, dem 11. Tag im 2. Xurl, 46 n.A.III, bekanntgegeben. Der Stammhalter unserer Familien Turlach und Ossiaris hat gesund und kräftig das Licht der Welt erblickt. Es ist unser Ansinnen, ihn im Geiste der Freundschaft zwischen Drachenhain und Ossiaris sowohl im ogedischen wie im ossiarischen Glauben aufzuziehen, auf dass er sich mit Erreichen des Mannesalters selbst bekennen möge.
Samuel von Turlach und Ildari von Ossiaris
Zwei leere Betten fand der Kerzenziehermeister Knev Ullhart vor, als er zum ersten Hahnenschrei des 5. Tages des II Xurlmonds, die beiden scheinbar saumseligen Lehrlinge aus dem Stroh jagen wollte. Zunächst glaubte der landbekannte Meister noch an einen Dummenjungenstreich seiner Schützlinge, doch nachdem sie weder im Laufe des Tages, noch am Abend und auch zwei Tage später immer noch nicht heimkehrten, geriet der Drachentrutzer allmählich in Sorge und verständigte die Burgwache. Emsige Nachforschungen ergaben, dass die Jungen am Abend des 4. Tag – also am Vortag ihres letzten Zusammentreffens – die Feste aufgrund eines nie angeordneten Botengangs durch das Südtor verlassen hatten und seither von keiner Menschenseele mehr gesehen worden waren. Da die beide jungen Drachentrutzer bekanntermaßen zu jenen hitzigen Gemütern zählten, welche den angrenzenden Antrutzern mehr als missgünstig gegenüberstehen, wurde auf Geheiß des Burgvogts Kerstan von Tuachall umgehend eine Abordnung in die Nachbarbaronie entsandt. Allein, die Lehrlingsbuben scheinen in den Antrutzen niemals angekommen, egal mit welchen wirren Vorsätzen sie auch immer losgezogen waren. Ortskundige Augen besahen sich sodann alle möglichen und unmöglichen Wege zwischen dem Fürstensitz und der Wallbaronie, doch waren auch hier – man muss eigentlich sagen, den Vieren sei Dank! – keinerlei Anhalt auf Gewalt oder Flucht zu entdecken. Auf der Feste verdichtete sich unter der Bürgerschaft indessen die Sorge um die Burschen, nebst ins Kraut schießende Befürchtungen, zu allerhand Unmut. Noch während die Burgwache nach dem Verbleib der Vermissten fahndete, rottete sich vor Meister Ullhart Haus eine lautstarke Menschenmenge zusammen, bevor sie sich laut krakelnd – und mit allerlei Handwerkszeug bewaffnet – in Richtung Südtor aufmachte. Derart war die Stimmung der Bürger aufgeheizt, dass die Bemannung des Südturms dem Mob allein durch das Abfeuern von einem halben Dutzend Warnschüssen Einhalt gebot. Missmutig zog hierauf die Menge von dannen, wobei sich der Groll noch in der Demolierung der Taverne Zum Mantelhaken, dem Diebstahl eines großen Weinfasses, sowie von fünf Karnickel und sechs Eiern, entlud.
Burgvogt Kerstan von Tuachall ordnete eine sofortige, für die Dauer von sieben Tagen währende Verstärkung der Wachschaft an und versetzte zudem die gesamte Burgwache der Feste in erhöhte Alarmbereitschaft. Trotz alledem drohte die Lage ganze zehn Tage später erneut zu eskalieren. Ein hier ungenannt bleibender, besorgter Drachentrutzer meldete seine Ehegattin als seit drei Tagen verlustig. Der hierauf eilends ausschwärmenden Burgwacht gelang es glücklicherweise sehr rasch, die Vermisste – friedlich im Bette liegend – ausfindig zu machen. Pikanter Weise befand sich die Ahnungslose zum Zeitpunkt ihres Auffindens jedoch nicht bei sich zu Hause, sondern wurde unsanft in der Bettstatt eines anderen Mannes aus süßem Schlummer erweckt. Der Vorfall machte freilich rasch die Runde, trug zwar in der allgemeinen Erheiterung zur Entspannung der Lage auf der Feste bei, doch muss an dieser Stelle einmal mehr die Obrigkeit zu entschlossenerem Handeln aufgefordert werden, endlich die Zwietracht zwischen An – und Drachentrutzer zu schlichten, bevor irgendwann noch Ärgeres passiert.
Meister Minhard Balamus, Drachenhainer Hofberichterstatter
Gegeben zur Feste Drachentrutz,
Der Winter hat gerade die Rebenhainer Gestade verlassen, da verlässt auch der Herr von Rebenhain sein Winterquartier: Es muss nach dem Rechten geschaut werden. Der Tross bewegt sich rasch durch die Baronie, hierhin und dorthin, alle wichtigen Orte, Städte und Heiligtümer werden besucht, um gute Ernte wird gebetet. Trotz einer gewissen Eile müht sich der Baron ein offenes Ohr zu haben, Worte aufzunehmen und Anweisungen zu hinterlassen. Berichtenswert erscheint ein Zwischenfall beim einem Gerichtstag in Pogelsweiler. Dort traten Beschwerde führende Weinhändler und Winzer auf, die sich über die Konkurrenz aus Nurian beschwerten. Noch immer verkaufen Nurianer Händler einen sogenannten Edelrundling der nicht nur dem Namen nach sondern auch im Geschmack dem Rebenhainer Rundedling recht ähnelt. Der Verdacht, dass Traubenstöcke entwendet oder gestohlene Reben auf Nurianer Stöcke aufgepfropft wurden, liegt nahe. Die Angelegenheit konnte nicht letztgültig geklärt werden. Der Baron sagte aber zu, auf diplomatischem Wege tätig zu werden.
Dann ging die Reise in die weiter im Norden gelegene Reichsvogtei. Seine Hochwohlgeboren besuchte die nach etlichen Jahren Bauzeit weit fortgeschrittene Baustelle für die Burg in Kratorpolitanien, ebenso auf der anderen Seite des Flusses die inzwischen wieder weitgehend hergestellte Hadriansblick. In einer Ansprache betonte der Reichsvogt die Wichtigkeit der nördlichen Grenzsicherung gegen die im Norden grassierenden Aufrührereien und das herrschende Chaos. Zuletzt wurde auf ein friedvolles Jahr angestoßen. Was könnte schon den Frieden stören?
Für den Heliosboten, Arnhelm der Flinke
Hört, Ihr Reiter Heligonias,
Das Volk der Borharcôner, es steht am Scheideweg.
Die Tage nahen, welche zeitigen Leben oder Untergang!
Atmas Vermächtnis, es ist Wunder und es ist Mysterium:
Das Blut, das heilige Blut der Sorebramorer, es kehrt zurück!
Mit jedem Tag, da ein Kind geboren, weist Yom ihm den Weg.
Der Rote Feind, er hat die Fährte aufgenommen. Blutdürstend bricht er ein in unsere Yurten, rötet die Felle, zertritt Liomnes Feuer, vernichtet das Blut, wenn er es fassen kann.
Die Mächtigsten, sie haben sich aufgemacht, aufzuschweben in die sieben Lande des Himmelreichs und hinabzusteigen in die schwarzfinstren Tiefen der Unterwelten.
ALLES – Licht wie Schatten – ist es, was wir wider den Feind einsetzen werden. Weder Halt noch Gnade wird es geben, weil Fei’na ist, was wir sind.
Das Volk der Borharcôner, es wird alsbald verhasste Ketten sprengen, das Haupt stolz erheben und rufen: „Zarbad Harcôr!“ und endlich wieder Fliegende Falken sein.
Asche und Staub, der goldene Krone;
Sieg oder Untergang!
Arasla Jeorta
Bei der jährlichen Jagd nach Schneehühner unterlief dem prinzlich-thalerischen Oberjagdmeister Rhiannus Giepuss von Blauenfels ein folgenschwerer Fehlerschuss. Er hatte sich in einem niedrigen Gebüsch, unweit des Hochsitzes von Prinz Anselm von Thal, auf die Lauer gelegt. Schon seit mehreren Stunden beobachteten sie den Waldrand in dem sich eine Kolonie der Tiere aufhalten sollte. Wiederholt waren sie jedoch von durchziehendem Schwarzwild fast vergrämt worden. Ritter Beofried, der bei der Jagd ebenfalls zugegen war, wollte das Schalenwild schon mit bloßer Hand erwürgen, so groß war seine Ungeduld. Der Prinz rief ihn jedoch zur Ordnung und mahnte zur Stille. Das erlegen eines Keilers hätte so viel Unruhe gestiftet, dass die Schneehühner an diesem Tage sich nicht mehr gezeigt hätten und die Jagd für diesen Tag verdorben wäre.
Als dann das endlich das Pirschzeichen gegeben ward, und der Oberjagdmeister gleich mit dem ersten Schuss ein anstreichendes Schneehuhn erlegte, kam dieser so in Fahrt, dass er mit dem zweiten Schuss eine Dublette vollbringen wollte. Der Schuss traf jedoch nicht und der Pfeil zog ungestreift an dem Tiere vorbei. Leider befand sich am Ende der Schussbahn Wildhüterin Nirola Dorrbwalgen, der den schnellen Gesellen mit seinem Unterschenkel auffing.
Der Prinz, der von seinem Hochsitz sofort abbaumte überwachte die Arbeit seines Hofheilers höchst perönlich.
Trotz dieses Unglücks wurde die Jagd noch ein voller Erfolg. Bei dem rauschenden Fest am Abend auf Schloss Jarun wurden etliche der köstlichen Vögel kredenzt.
Der Bote darf mit Freude berichten, dass sich Frau Dorrbwalgen inzwischen auf dem Weg der Genesung befindet.
Ritinus Federschwinger,
Hofschreiber zu Hochanthen
In die eher kargen und abgelegenen Teile der Lormark zieht es normalerweise nur gelegentlich einen Boten, sonst waren Wanderer in der Vergangenheit die große Ausnahme. Doch nun scheinen etliche Heligonier den Reiz der Landschaft für sich entdeckt zu haben: In Hegardsrast, einem kleinen Weiler mit vielleicht einem Dutzend Häusern, beherbergt inzwischen fast jeder Hof ein paar Gäste aus der Ferne, die es in diesen entlegenen Winkel verschlagen hat. Viele von ihnen sind Barden, Musiker, Künstler und scheinen hier Inspiration zu finden. Zogen einige von ihnen nach ein oder Wochen weiter, soll es auch den ein oder anderen geben, der sich für mehr als einen Monat einquartiert hat. Den Dorfbewohnern gefällt es, haben sie doch neben einem Zubrot nun auch viel Unterhaltung durch so manche Darbietung der Gäste.
Am Rande des Dorfs ließen ogedische Priester ein verfallenes Steinhaus instand setzen. Hier wohnen und wirken nun Priester der Viere und zelebrieren täglich die ogedischen Riten. Ob auch die Priesterschaft hier Kraft aus einer Inspirationsquelle schöpft, ließ sich nicht in Erfahrung bringen – und ob sich die Gegend zu einem Touristenmagnet entwickelt oder etwas anderes hinter der plötzlichen Menge an Besuchern steckt, werden wohl die kommenden Monde zeigen. Der Hofchronist wird wie immer berichten!
Sollte der werte Leser sich auf eine der beliebten Reden des Landesvaters freuen, so muss dieser auf die nächste Ausgabe vertröstet werden. Vielmehr sprach der Wesir des gräflichen Hauses, Makbul Ibn Ben Feysal, eine dringende Warnung aus, die unverzüglich von jedem Omu des Landes von den Türmen über das Land schallen soll.
„Geliebtes Volk unseres großen Herrschers!
Besorgniserregende Ereignisse suchen landesweit die Märkte heim. Tomaten, groß wie Buraihoden überschwemmen die Warenumschlagsplätze unserer Stadt zu lächerlich niedrigen Preisen. Optisch eine Augenweide, doch von fadem Geschmack, geradezu wässrig. Verzehrt man sie nicht sofort, dann wird über Nacht das ganze Ausmaß der Katastrophe gegenwärtig. Binnen weniger Stunden ändert sich der Aggregatzustand von fest zu flüssig – aus der beim Einkauf noch festen, knackigen Frucht wird übel riechender Tomatensaft.
Auf niederträchtige Art und Weise getäuscht wendet sich der arme, geprellte Darianer von den einstmals so geliebten Tomaten ab. Die Frauen weinen über das Unglück, wenn sie ihren Familien statt leckerer Tomaten nur eine verdorbene Tomatenbrühe servieren können. Ob der Dringlichkeit der Angelegenheit hat sich der Dekan der renommierten Academica Rocorion höchstpersönlich um Klärung des Missstandes gekümmert. Ein endgültiges Ergebnis wird im nächsten Mond verkündet, doch es konnte bereits zweifelsfrei geklärt werden, dass es sich um unnatürliches Wachstum handelt. Die Gelehrten konnten sogar Rückstände magischer Strahlung feststellen. Es ist also anzunehmen, dass Tomaten mittels Magie vergrößert wurden. Diese entwich jedoch nach dem Kauf, was dazu führte, dass die Verwandlung von der prallen Frucht zum schleimigen Brei nicht lange auf sich warten lässt.
Es versteht sich von selbst, dass kein Darianer es jemals in Betracht ziehen würde, einen solchen Frevel zu begehen, daher sei der Ursprung dieses Betrugs außerhalb der Landesgrenzen zu suchen. Unser geliebter Herrscher rät dazu keine ausländischen Tomaten mehr zu kaufen und ein Einfuhrverbot werde gerade geplant.“
Jammernd und wehklagend verließ die enttäuschte Menschenmenge den Platz vor dem gräflichen Palast, um die Tavernen aufzusuchen. Dort ertränkten sie ihren Kummer, jedoch nicht ohne die Gläser auf den verehrten Grafen zu erheben.
Als die Welt noch jung war, hauchte Saarka einigen Geschöpfen mit sanftem Wind Leben ein, auf dass sie ihre Schuld an den Tumulten tilgen möge, die während der Schöpfung der Welt von ihr daselbst verursacht worden waren. So berichten die Ogeden-Priester seit uralter Zeit über die Entstehung der Menschen.
Es gibt Angehörige des Shamanka Clans, jenes Clans in Sedomee, der seit jeher sich um die Pflege des heiligen Haines kümmert, die davon berichten, in der Nähe von Eibenbäumen, bei uns genannt Khashab, eine gewisse Präsenz, ja gar Zuneigung Saarkas – so dies denn möglich ist – zu empfinden. Auch heißt es unter der Landbevölkerung gelegentlich, man solle sich bei Vollmond und ganz besonders in den Nächten rund um die Crelldinornacht nicht unvorsichtig den Eiben nähern und falls es keinen Umweg gäbe, selbst wenn die Gegend einem vertraut wäre, sich lieber vorsichtshalber laut und ehrerbietig vorstellen und angeben, warum man sich nähere. Andernfalls könne man versehentlich in die Unterwelt geraten – ohne Wiederkehr, versteht sich.
Vernehmt nun folgende Erzählung, die da heißt:
Der hundertjährige Eibenbaum
Es war einmal ein hundertjähriger Eibenbaum, der trug sowohl männliche als auch weibliche Blüten, was zu dieser Weltenzeit noch seinem üblichen Wesen entsprach. Diesen Baum besuchten nun regelmäßig Menschen von nah und fern, aus vielen verschiedenen Clans und Sippen, die von ihm gehört hatten, denn der Baum war ein Lehrer.
Er lehrte die Menschen, die zu ihm kamen, die Gaben der Götter zu ehren, ja, sich an ihnen derart zu freuen, dass sie fast wie von Sinnen wirkten oder glaubten, einen flüchtigen Einblick in die Unterwelt erhalten zu haben. Er lehrte sie, die Jahreszeiten zu beobachten, und gleich ihnen stets ihr ehrliches Gemüt zu zeigen, sei es sanft oder tobend, aber einander genauso schnell wieder zu vergeben. Und der Baum lehrte diese Menschen auch, dass die Gemeinschaft des Clans ewiglich besteht und doch ewig im Wandel begriffen ist, denn mehrere Generationen zugleich sind in ihm verbunden im ewigen Kreislauf des Wachsens und Vergehens. Und ganz besonders dies: ein jeder solle alle Clanschwestern und -Brüder gleichermaßen achten, in Vergangenheit bis an den Anfang der Welt und in Zukunft bis an ihr Ende.
Unglücklicherweise begab es sich jedoch, dass mehrere der Sippen, die regelmäßig zu dem Baum gekommen waren, diesen ganz für sich beanspruchen wollten. Eine besonders entschlossene unter ebendiesen schmiedete einen tolldreisten Plan, den Baum auszugraben und in eine Höhle zu setzen, die nur ihnen selbst bekannt sein sollte.
Ein Mädchen namens Nesrin, das es sich zum Brauch gemacht hatte, wegen der abenteuerlichen Träume, die der Baum schenkte, eingerollt zwischen dessen Wurzeln zu schlafen, hörte zufällig einige Worte darüber mit. In ihrem Entsetzen weinte sie heftig und weckte damit auch den Baum aus dem Dämmerschlaf.
“Schwestern verraten Schwestern und Brüder verraten Brüder? Dies ist nicht, weshalb ich in diese Welt gekommen bin und auch nicht, was ihr von mir lerntet!” donnerte die Eibe und rief sogleich die Göttin Saarka um Hilfe an. Diese entfesselte daraufhin einen heftigen Sandsturm, der volle zwei Jahre andauerte.
Als sich die letzten Sandkörner endlich gelegt hatten, sahen die Menschen, dass der Stamm des Baumes nun in zwei gespalten war, von der Krone bis zum Boden, obgleich er noch zu leben schien. Die beiden Hälften aber bogen sich wie in heftiger gegenseitiger Abscheu voneinander weg. Auch die Natur des nun gespaltenen Baumes schien sich vollkommen gewandelt zu haben.
Die eine Hälfte trug hernach stets mehr und saftigere Blätter und Blüten als ihr Gegenüber, da ihre Wurzeln sich nach und nach in Richtung einer bisher verborgenen Wasserader gruben. Auch fand man an dieser Hälfte weiterhin die roten Beeren, die die Menschen vormals als eine der traumschenkenden Gaben geehrt hatten, die nun aber giftig geworden waren und nur noch von Saarkani mit besonderem Wissen angerührt werden konnten. Mit Worten sprechen konnte diese Hälfte ebenfalls nicht mehr, doch besuchten sie einige treue Menschen weiterhin und pflegten sie, da sie den Baum wie eine ihrer Clanschwestern betrachteten.
Die andere Hälfte dagegen konnte sehr wohl noch sprechen, gab nun aber mit einer gewissen Regelmäßigkeit allerhand Gerede bis hin zu düsteren Weißsagungen von sich, was die Menschen verwirrte – wie der Hinweis an einen Bauern, sein Burei leide unter heftigem Husten und bräuchte dringend einen Einlauf – und gelegentlich ängstigte – wie der Ausruf, die dunkle Zeit der Dattelpest stünde unmittelbar bevor. Karg war das Erscheinungsbild dieser Hälfte des Baumes, weshalb einige Menschen versuchten, ihn mit dargebrachten Datteln zu nähren oder mit Bureimist zu düngen. Gierig schien der Baum die Nahrung aufzusaugen und fragte gelegentlich auch nach mehr, verblieb indes aber in dem Zustand wie zuvor. Schließlich begannen die Menschen, die dürren Äste mit allerhand bunten Bändern und glitterndem Tand zu behängen, um den Baum aufzumuntern, da sie ihn wie einen ihrer Clanbrüder betrachteten.
Nesrin, bald zur jungen Frau gereift, schlug ihr Lager in der Nähe der zwei Bäume auf – denn als solche wurde der Eibenbaum nun von den Menschen betrachtet – und wiederholte jedem, der es hören wollte, die Lehren des Baumes an die sie sich erinnern konnte Wort für Wort.
Eines Nachts fiel ihr während sie schlief eine der Beeren in den Mund, doch sie erwachte erst am Morgen und es war bereits zu spät. Ihr Körper schüttelte sich vor heftigen Krämpfen und bevor sie starb erzählte sie den Menschen, die ihr zu Hilfe geeilt waren, unter großen Mühen noch von dem letzten Traum, den ihr geliebter Baum ihr geschenkt hatte:
Sie hatte alle Clans und Sippschaften erblickt, die den Baum in seinem langen Leben aufgesucht hatten und diese formten ein endloses Band bis zum Horizont und an den Rand der Weltenschale. Daraufhin hatte sie eine Vision der zwei Baumhälften erblickt, die sich, zunächst zaghaft, dann immer deutlicher aufeinander zubewegten um sich schließlich wieder wie zu einem Stamm ineinander zu verwinden, woraufhin die Zweige sich sogleich in üppiges Grün wandelten, über und über mit Blüten und Beeren besetzt. Gleichzeitig hatte die junge Frau die Stimme der Eibe vernommen, die die Menschen gemahnte dieses endlose Band zu ehren. Die Stimme prophezeite, dass goldene Zeiten des Überflusses und des Segens anbrächen, sobald dies in den Herzen der Menschen ihren Platz gefunden habe.
Seit dieser Zeit nun ist allgemein bekannt, dass die Eibe, eine der von uns hochgeschätzten Baumarten, ebenso wie die Menschen sich stets in einem dieser beiden Zustände des Körpers oder des Gemüts in der Welt zeigt, als da wären männlich oder weiblich.
Kareema Shivasani vom Shamanka Clan aus Calena
Erste Shivasani am sedomeesischen Hofe
Nachdem der Handelsgipfel zu Beginn des 1. Poëna im Jahre 46 n.A.III zwischen den Vertreterinnen der Grafschaft Greyshire in Terravino, der Grafschaft Eloria und Sedomee durch einen schockierenden Artikel in der neuesten Ausgabe der Klatschgazette “Sedomee Ungeschminkt – Tavernenklatsch aus Marola” in angespannte Stimmung zu kippen drohte, ließen die Freigräfin und ihre Tochter höchst ungehalten verlautbaren, dass dieses Schmierblatt ab sofort nicht mehr geduldet werde. Es wurden Ermittlungen eingeleitet, um die Verfasserinnen und Verbreiterinnen so schnell wie möglich dingfest zu machen. Mehrere Spuren werden derzeit in Marola verfolgt.
Zitat der Freigräfin: “Der Artikel, in dem scheckliche Gerüchte über einen unserer geschätzten Gäste verbreitet wurden, verletzt die Grundfesten der sedomeesischen Gastfreundschaft. Wir hofften zunächst, über den hiesigen Klatsch Nachricht von ungewöhnlichen Geschehnissen in Sedomee zu erhalten, aber das geht zu weit!”
Unklar bleibt, was mit der kürzlich erstmals aufgetauchten Veröffentlichung “DARIAN EXTREM!” geschehen soll, die eindeutig in dieselbe Kerbe schlägt.
Wem eine Ausgabe von “Sedomee Ungeschminkt” in die Hände fällt, der hat sie umgehend der Staatskanzlei in Marola zukommen zu lassen, und so die weitere Verbreitung zu unterbinden. Zur besseren Identifizierung wird hier das aktuelle Titelblatt der Ausgabe mit dem kontroversen Artikel angehängt.
Hanifah vom Agnat Clan,
Beamtin der Staatskanzlei in Marola
Einige Mitglieder des Mohabi Clans berichteten über seltsame Erscheinungen in der Wüste Apuriens, nahe einer Oase. Es sollen dort „plötzlich“ fremdländische Pflanzen aufgetaucht sein.
Außerdem kam es an jener Oase zu einem tragischen Unglück, als 10 Ziegen des besagten Clans aus einem Wasserloch getrunken hatten, welches aus bisher unerklärlichen Gründen mit Salzwasser verschmutzt war.
Ihre Hochgeboren, die Freigräfin Amira Kaela von Sedomee und Apurien hat nun zum Schutz der Bevölkerung Folgendes angeordnet.
1. Truppen der Rakesh Akademie werden das betroffene Gebiet weiträumig absichern. Ihren Anweisungen ist in jedem Falle Folge zu leisten.
2. Die Wasserquellen sämtlicher Oasen sollen künftig streng bewacht und mehrmals täglich sorgfältig auf Verschmutzungen jeglicher Art überprüft werden. Ungewöhnliche Vorkommnisse sind sofort der Staatskanzlei in Marola zu melden.
3. Die Clanmitglieder des Mohabi Clans werden für ihren Verlust entschädigt und vorerst an einer neuen Oase untergebracht, bis die Ereignisse lückenlos aufgeklärt sind.
4. Gelehrte der Universität von Marola sind bereits seit einiger Zeit vor Ort und werden die Ereignisse genauer untersuchen.
Nach Rücksprache mit den Gelehrten der Universität von Marola geht ihre Hochgeboren Amira Kaela von Sedomee und Apurien davon aus, dass es sich zwar um ungewöhnliche, jedoch nicht unbekannte Phänomene handelt. Offensichtlich hat die Verschmutzung der Wasserquelle etwas mit alten Salzkristallablagerungen in tieferen Bodenschichten zu tun. Freigräfin Amira ist sich sicher, dass die Vorkommisse aufgeklärt und die Bewohner bald wieder in ihr angestammtes Gebiet zurücksiedeln können.
Fatima aus dem Sefardi Clan
Beamtin der Staatskanzlei in Marola
Am 08. und 09. Tag des 1. Poena im Jahr 46 n.A.III fand ein erstes diplomatisches Treffen zwischen der Gräfin Abigale Charlotte Grace von Greyshire nebst Gefolge und der Freigräfin Amira Kaela von Sedomee und Apurien in Jalamanra statt. Begleitet wurde die Gräfin von Greyshire von Ihren elorischen Verbündeten Malina zu Wechlin, Markgräfin von Merseburg und ihrem Verlobten Baron Julius Caspar von Rampf, die sich im Moment auf Ihrer Verlobungsreise befinden.
Im Clanhaus des Sedomee Clans fand in behaglicher Atmosphäre ein reger Austausch der Kulturen statt. Waren die werten Gäste sehr von der Fülle der sedomeesischen Speisen beeindruckt, so erfuhren die sedomeesischen Gastgeber von einer ganz besonderen Art, Stammesfehden untereinander zu klären. In Eloria ist es Sitte, bei Streitigkeiten eine sogenannte „Klatschete“ auszurufen. Dabei treffen sich die Kontrahenten mit einem Fisch ihrer Wahl auf einem Baumstamm, um sich diesen dann möglichst kräftig gegenseitig ins Gesicht zu schlagen. Ob und wie weit so ein Brauch in Sedomee Anwendung finden könnte, bleibt allerdings ungewiss.
Am frühen Nachmittag des zweiten Tages drohte die bis dahin angenehme Atmosphäre kurzfristig zu kippen, nachdem in den Räumlichkeiten aus bisher noch nicht geklärter Quelle das sedomeesische Schmierblatt, „Sedomee ungeschminkt“ gefunden wurde.
Zu aller Entsetzen fand sich darin ein Artikel, in dem über die werten Gäste aus Eloria sehr in beleidigender Art und Weise zu lesen war.
Es war der besonnenen Reaktion der Freigräfin Amira Kaela von Sedomee und Apurien zu verdanken, dass die bis dahin vorsichtig geknüpften neuen Bande nicht jäh zerrissen wurden. Sie konnte den Gästen glaubhaft versichern, dass selbst sie regelmäßig Opfer spöttischer Artikel dieses Schmierblatts wird und sie nun alles daran setzt, die Übeltäter dingfest zu machen.
Am Nachmittag wurden dann verschiedenste Waren aus Sedomee und Greyshire vorgestellt und sowohl die Gräfin Abigale Charlotte Grace von Greyshire als auch ihre Hochgeboren Amira Kaela von Sedomee und Apurien äußerten den Wunsch nach weiteren Handelsbeziehungen beider Länder. Genauere Informationen zu den Einzelheiten der Handelsbeziehungen folgen in einem nächsten Bericht.
Fatima aus dem Sefardi Clan
Beamtin der Staatskanzlei in Marola
Was sich schickt:
Von Abendrot bis Morgengrauen durchzuschlafen
Allzeit einen Speichelfleck auf der Schulter zu tragen
Convente
Enten
Ho-ho-Holzspielzeug
Und was nicht:
Volle Windeln
Übervolle Windeln
Stau mit Kind in der Sänfte in der Alten Stadt
Neidische Blicke auf Familienkutschen
Tierfelle als Kleidung
Zum Bürger des Monats wurde in diesem Monat seine Hochgeboren, Graf Dedekien von Darian ernannt. Die Jury begründete die Wahl mit dem kürzlichen Aufenthalt seiner Hochgeboren in Betis, die das Leben in der freien Reichsstadt gesellschaftlich, politisch und ökonomisch bereichert habe. Insbesondere seine Besuche der Betiser Oper und eines Spieles von Sturm Betis, dem er in der Ehrenloge beiwohnte, hätten gezeigt, so die Erläuterung der Jury, dass der Graf seine berühmte Volksnähe nicht nur seinen darianischen Untertanen gerne schenke, sondern auch den Bürger von Betis angedeihen lasse.
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Berichte von Eve Betzer, Tobias Brinkmann, Christina Bügel, Thomas Bügel, Oliver Friese, Steffen Heiss, Inés Hermann, Marc Hermann, Daniela Lochner, Uli Matzura, Benjamin Rampp, Andreas Reicke, Andreas Riedlinger, Stefan Schlott, Karin Starkloff