Die glühende Hitze der Heliosmonde sorgt seit Tagen für menschenleere Gassen und schon beinahe unheimliche Stille in der Grafschaft Darian. Auf lange, heiße Tage folgen warme Nächte, die für ordentliche, darianische Feiern zu kurz sind. In den wenigen, erträglichen Stunden wird selbstverständlich gearbeitet, denn die Geschäfte müssen ihren Gang gehen. Einzig für die sehnlichst erwartete Rede des verehrte Landesherrn unterbrechen die Kinder der schönsten Stadt ihr Nachtwerk, um den süßen Worten ihres geliebten Grafen zu lauschen.
Im Augenblick, da Helios seine letzten Strahlen über den Horizont ergießt und Saarka in ihrer vollen Pracht aufsteigt, erscheint Graf Dedekien auf dem Balkon. Getaucht in wunderbarem Licht, löst sein Erscheinen einen Sturm der Begeisterung aus.
Fanfaren und Trommeln erklingen, worauf die Masse den Jubel weiter ansteigen lässt.
Ein Gong ertönt und Graf Dedekien gebietet Schweigen, indem er seine Arme gen Himmel reckt:

„Mein geliebtes Volk! Wir dürfen heute endlich Unser geheimes Wissen mit euch teilen.“
Graf Dedekien hielt kurz inne, um seinem Volk einen Moment der Spannung zu gönnen. Nachdem das erwartungsvolle Raunen der Masse abklang, hob er erneut an:

„Unsere tapferen Seeleute bereisen seit Jahren die Jolsee und drangen dabei immer weiter in den Süden vor. Diese Pioniere unter Unserer Flagge fanden eine Insel, die ihnen auf ihrer gefährlichen Reise Schutz und Nahrung bot. Doch dies allein war den Entdeckern nicht genug, vielmehr erforschten sie die Insel und freundeten sich mit den Einheimischen an. Dem immer noch nicht genug, machten sie eine sensationelle Entdeckung.“

Die Menge hielt gespannt den Atem an, nicht das leiseste Geräusch war zu vernehmen. In diese Stille hinein erhob der Graf erneut seine Stimme:
„Ihr fragt Euch, was so wichtig war, dass selbst der König Uns nach Escandara gebeten hatte? Über 5 Jahre sind nun ins Land gezogen – lange dauerten die Forschungen der Gelehrten, um aus dem Verdacht eine Gewissheit werden zu lassen. Auf jener Insel fanden Unsere tapferen Seeleute die Beweise, dass sie einstmals ein Teil des heligonischen Reiches war. Vor hunderten von Jahren siedelten dort unsere Vorfahren, doch hinterließen uns nur Ruinen. Diese symbolträchtigen Zeugnisse sprechen eine deutliche Sprache: die glorreiche Grafschaft Darian hat die wichtigste Stätte der Vergangenheit entdeckt.
Das offene, freundliche Wesen Unserer Seeleute führte dazu, dass sie sich mit den Einheimischen anfreundeten. Gemeinsam bauten sie die ruinösen Hafenanlagen wieder auf, um weitere Schiffe Unserer Seeflotte zu empfangen. Diesem behutsamen Vorgehen haben Wir es auch zu verdanken, dass sich die Inselbewohner voller Freude Unserer Grafschaft anschlossen. Gemeinsam bewirtschaften sie nun den Handelsposten mit ebenso viel Fleiß, wie Wir es von Unserem geliebtem Volk gewohnt sind.
So wie einst der Göttervater Helios auf dem Sonnendrachen Crelldinor ritt, ebenso stolz ritten unsere tapferen Seeleute auf den Darbor-Koggen über die stürmische Jolsee.
Die Einzelheiten dieses epischen Abenteuers werden Wir für euch und alle nachfolgenden Generationen niederschreiben. Dies sei euch noch gesagt: die Insel ermöglicht einen sicheren Hafen auf dem waghalsigen Seeweg nach Modestia.
Um die Götter zu ehren, haben Wir beschlossen dem Einland den Namen „Redonia“ zu schenken!“
Nach diesen Worten ließ der geliebte Herrscher seinen Untertanen einen Moment des Nachsinnens. Aus seinem Schatten trat eine prächtig gekleidete Frau, deren Hand er in seine nahm.
„So lasset Uns diese tapfere Schildmaid begrüßen: Aleyna AyBytan, Gouverneurin von Redonia! Sie wird Unsere Interessen in der neu gegründeten Hafenstadt „Dedekistan“ wahren und in Unserem Sinne über die Insel gebieten. Sie wird am längsten Tage des Jahres eine Armada nach Redonia führen, um dort die Erschließung der Insel und deren Besiedlung voranzutreiben. Jede Frau und jeder Mann, der Teil dieser heldenhaften Fahrt sein möchte, ist herzlich willkommen.“

Die rasende Menge tobte, der Jubel schwoll zu einem Donnerbrausen an bevor sie sich eilends aufmachte die zahlreichen Schänken zu besuchen. Es wurde schnell getrunken, denn die Nacht währte nur kurz. Viele musste noch ihre Habseligkeiten packen, um dann auf einem der Schiffe nach Redonia anzuheuern.

So niedergeschrieben von Omu Nayla,
die sich nun auf einem der Schiffe nach Redonia befindet

Erschienen in Helios-Bote 85