Mit einer gewissen Freude entdeckte ich, dass jenes Spiel, welches in anderen Ländern unter verschiedenen Namen bekannt ist – Arithmomachie und Rhythmomachie um nur zwei zu nennen – auch in gewissen Kreisen Helgionias durchaus beliebt ist. Leider sind jene Kreise nicht besonders groß und so hoffe ich mit dieser kleinen Vorstellung jenes wahrhaft für Gelehrte geschaffenen Spieles ein wenig mehr Interesse daran wecken zu können.
Die Wurzeln des Rhythmomachie liegen im Dunkeln, lediglich den Namen Asilo wird häufig als erster Vordenker dieses Spieles genannt – ob es sich hierbei jedoch um einen Heligonier handelte oder ob das Spiel im Ausland entstand und dann nach Heligonia kam, ist heute kaum mehr nachzuvollziehen. In den heutigen Tagen wird dieses Spiel hierzulande vor allem von den Gelehrten des Nexus Corenae gespielt, obwohl es auch für viele andere Gelehrte und vor allem deren Studenten von großer Bedeutung sein könnte. In anderen Ländern schwankt die Bedeutung des Spieles zwischen „völlig unbekannt“ und „beliebter Zeitvertreib von Gelehrten“.
Die Grundlagen der Rhythmomachie liegen in der Mathematik und den frühen Werken über jene, wie beispielsweise Boethius „De institutione arithmetica“, eine Übersetzung von Nicomachus „Einführung in die Arithmetik“. Aus diesem Grunde eignet sich dieses Spiel durchaus für die Ausbildung von Studenten, welche dadurch während des Spieles ihre mathematischen Fähigkeiten erproben können.
Wichtig zu beachten ist, dass es eine Vielzahl von Variationen des Rhythmomachie gibt, von denen nur eine spezielle innerhalb des Nexus Corenae gespielt wird. In diesem Text soll nun auf eine etwas allgemeinere Variante eingegangen und deren Unterschiede zur Spielart des Nexus Corenae herausgestellt werden, so dass dem geneigten Leser beide Variaten zur Verfügung stehen. Auch sollen einige weitere Variationen dieses Spieles zumindest Erwähnung finden.
Die Spielfiguren und das Spielbrett
Rhythmomachie ähnelt äußerlich grob dem heute leider weitaus bekannteren „könglichen“ Spiel Schach, basiert es doch auch auf einem in Quadrate aufgeteiltes Spielbrett – allerdings handelt es sich hierbei (im Normalfall) um 8 mal 16 Quadrate, im Gegensatz zu den 8 mal 8 Quadraten des Schachs.
Die Spielfiguren des Rhythmomachie weisen jedoch meist eine wichtige Besonderheit auf: In allen Varianten, bei denen es möglich ist, „gefangene“ Spielsteine als eigene erneut ins Spiel zu bringen, sind die Spielfiguren zweifarbig, so dass sie einfach umgedreht werden können um die Seiten zu wechseln. Dies gilt nicht für die Variante des Nexus Corenae.
In jedem Fall tragen alle Spielsteine ihre Zahl deutlich sichtbar (ggf. auf beiden Seiten). Jene Zahlen unterscheiden auch das Spiel weiter vom Schach, denn während bei diesem beide Parteien über die gleichen Spielfiguren verfügen, unterscheiden sich die Zahlen, welche den beiden Spielern beim Rhythmomachie zur Verfügung stehen. Je nach Variante kann dies einen kleinen Vorteil für eine der beiden Parteien bedeuten. Allgemein gesprochen ist das gerade Heer häufig leicht bevorzugt, weshalb auch das ungerade Heer das Spiel oftmals eröffnet.
Die Zahlen der Spielsteine sind in zwei Gruppen geteilt und unterliegen festen Regeln, welche wie folgt gestaltet sind:
Man beginne mit den Zahlen von 2 bis 8 und teile sie in gerade und ungerade Zahlen, um die Basis für das gerade und ungerade Heer zu erhalten. Diese Zahlen – man nenne sie im folgenden n – schreibe man in eine Zeile, welche man auch den ersten Rang nennen kann. Es sei darauf hingewiesen, dass das gerade Heer in den anderen Zeilen auch ungerade Zahlen enthält und das ungerade Heer auch gerade – die Bezeichnungen gründen sich vollständig auf diese erste Zeile.
Als Anmerkung am Rande sei erwähnt, dass die 1 niemals auftritt, da sie im klassischen Zahlenbild keine Zahl, sondern deren Grundeinheit ist, aus welcher die Zahlen hervor gehen (so sind die Zahlen des ersten Ranges Vielfache der 1).
Die zweite Zeile – auch der zweite Rang genannt – besteht aus den Quadraten der Zahlen des ersten Ranges (sind also n x n). Die Zahlen des ersten und zweiten Ranges nennt man die Multiplices, da sie ganzzahlige Vielfache sind.
Die Zahlen des dritten Ranges ergeben sich, indem man die Zahlen des zweiten Ranges mit 1 + ( 1 : n) mulipliziert.
Die Zahlen des vierten Ranges lassen sich ebenso berechnen, indem man die Zahlen des dritten Ranges mit 1 + ( 1 : n) multipliziert. Man nennt die Zahlen des dritten und vierten Ranges die Superparticulares, da sie ein Ganzes und ein Teil sind.
Die Zahlen des fünften Ranges werden errechnet, indem die Zahlen des vierten Ranges mit 1 + (n : ( n + 1)) multipliziert werden.
Die Zahlen des sechsten Ranges berechnen sich, in die darüber liegende Zahl des fünften Ranges mit 1 + (n : ( n + 1)) multipliziert werden. Die Zahlen des fünften und sechsten Ranges werden Superpartientes genannt, da sie ein Ganzes plus (alle – ein) Teil sind.
Obwohl es noch zwei weitere klassische Formen von Proportionen – Multiplices superparticulares und Multiplices superpartientes – gibt, sollen diese an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden, da sie für die Grundlagen des Spieles keine Rolle spielen.
Führen wir die Zahlen durch ein Beispiel ein: Beginnen wir mit der Zahl des ersten Ranges 4. Daraus ergibt sich der zweite Rang 16 (n x n). Der dritte Rang errechnet sich durch 16 x ( 1 + ( 1 : 4 ) ), also 20. Daraus folgend errechnet man den vierten Rang: 25 (da 20 x ( 1 + ( 1 : 4))). Der fünfte Rang kann nun also als 25 x ( 1 + ( 4 : ( 4 + 1))) berechnet werden, was uns zur 45 führt. Der sechste Rang schließlich ist 45 x ( 1 + ( 4 : ( 4 + 1))), also 81.
Im Allgemeinen werden die Multiplices durch kreisrunde Spielsteine dargestellt, die Superparticulares durch dreieckige und die Superpartientes durch quadratische. Hier macht jedoch der Nexus Corenae einen Unterschied, verwendet er doch kleine quadratische Spielsteine für die Multiplices, große quadratische für die Superparticulares und runde für die Superpartientes.
Im Folgenden seien die beiden Heere angegeben:
Das gerade Heer:
Das ungerade Heer:
Einen Unterschied gibt es bei der Figur der Pyramide, welcher auch König oder Turm (so beim Nexus Corenae) genannt wird. Der Turm ersetzt eine normale Spielfigur (welche also nicht existiert). Der Turm ist eine spezielle Spielfigur, besteht er doch aus mehreren Zahlen und nicht nur einer:
So besteht der Turm des geraden Heeres aus allen quadratischen Zahlen von 1 bis 36 (und ersetzt somit den Spielstein mit der Zahl 91), während der Turm des ungeraden Heeres aus den quadratischen Zahlen von 16 bis 64 besteht (und somit die 190 ersetzt).
In der allgemeinen Variante besteht der Turm tatsächlich aus mehreren Steinen (meist spezielle Steine, die besser zu stapeln sind), die auch einzeln gefangen genommen werden können (deshalb auch der Name Pyramide). Bei der Variante des Nexus Corenae hingegen ist der Turm eine einzelne, spezielle Figur, die nur als ganzes gefangen genommen werden kann, wofür als ihre Zahl ihre Basis, also das höchste Quadrat (36 bzw. 64) verwendet wird.
Die in Klammern stehenden Zahlen geben an, welchen Grad die Teilsteine besitzen: Multiplices (I), Superparticulares (II) oder Superpartientes (III).
Das Ziehen
Bei den Zügen gibt es noch weitaus mehr Variationen als bei den Spielfiguren, weshalb hier mit einer einfachen Variante begonnen werden soll:
Es beginnt das Heer der ungeraden Zahlen mit dem ersten Zug (außer in der Variante des Nexus Corenae, wo das gerade Heer beginnt).
Die Multiplices ziehen in das zweite Feld und zwar horizontal oder vertikal.
Die Superparticulares ziehen in das dritte Feld und zwar diagonal.
Die Superpartientes ziehen in das vierte Feld und zwar in alle Richtungen.
Als wichtiger Hinweis sei hier erwähnt, dass beim Ziehen das Ausgangsfeld mitgezählt wird, die Multiplices ziehen also exakt ein Feld weiter.
In der Variante des Nexus Corenae bleiben die Zugweiten erhalten, aber alle drei Kategorien von Steinen können in alle Richtungen ziehen.
Der Turm bildet hier, wie auch sonst, eine Ausnahme: Er kann sich wie ein beliebiger seiner Teile bewegen. Im Falle der Nexus Corenae Variante – bei welcher der Turm ja unteilbar ist – bedeutet dass, dass der Turm sich stets bei jedem Zug eine der drei obigen Möglichkeiten aussuchen kann, bei der hier vorgestellten Variante, bei welcher einzelne Steine des Turms einzeln geschlagen werden können, hängt seine Bewegungsfähigkeit davon ab, welche seiner Steine er schon verloren hat: Wurde der Turm beispielsweise schon aller seiner Multiplices beraubt, so kann er nicht mehr deren Züge durchführen, sondern sich nur noch wie die Superparticulares oder Superpartientes bewegen.
Die Gefangennahme
Um eine gegnerische Figur gefangen zu nehmen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die prinzipiell darauf basieren, mathematische Zusammenhänge zwischen der eigenen und der Spielfigur des Gegners herzustellen. Bei einigen Varianten wurden jedoch auch trivialere Möglichkeiten eingeführt, so zum Beispiel die Belagerung.
Gefangennahme durch Begegnung (auch congressus genannt)
Die Begegnung ist der einfachste Weg eine Figur gefangen zu nehmen: Wenn die eigene Figur so an eine gegnerische Figur mit der gleichen Zahl heran kommt, dass sie deren Feld im nächsten Zug erreichen könnte, kann sie diese gefangen nehmen.
Gefangennahme durch Hinterhalt (auch insidiae genannt)
Sind zwei Spielfiguren eines Spielers so nahe an einer gegnerischen Figur, so dass sie im nächsten Zug auf deren Feld kommen könnten, können sie diese gefangen nehmen, wenn ihre Summe oder Differenz (in manchen Varianten auch Produkt oder Quotient) gleich der Zahl der gegnerischen Figur ist. Bei der Variante des Nexus gilt hierbei nur die Summe, so dass von der Additionsregel gesprochen wird.
Gefangennahme durch Angriff (auch eruptio genannt)
Wenn eine Spielfigur auf einer Linie (horizontal, vertikal oder diagonal) mit einer gegnerischen Figur liegt, so kann sie diese gefangen nehmen, falls die Anzahl der Felder, die zwischen ihnen liegen, multipliziert mit seiner Zahl der Zahl der gegnerischen Figur entsprechen. Die Felder dazwischen müssen hierfür leer sein.
Gefangennahme durch Belagerung (auch obsidio genannt)
Wenn eine Spielfigur von gegnerischen Figuren so eingekreist ist, dass sie keinen Zug mehr durchführen kann, kann sie gefangen genommen werden. Diese Regel existiert (wohl aufgrund ihrer geringen Eleganz) in der Nexus-Variation nicht.
Sonderstellung des Turms
Interessant ist hier die Behandlung des Turmes: Er kann entweder als ganzes gefangen genommen werden (dafür gilt entweder seine Zahl als die Summe seiner aktuellen Teile oder, in der Variante des Nexus, seine höchste Quadratzahl, also 36 bzw. 64) oder (in bestimmten Varianten, nicht der des Nexus) Teile von ihm können gefangen genommen werden. Er kann entweder als ganzes (also mit seiner Zahl) gefangen nehmen oder ein beliebiges seiner Teile nutzen um gefangen zu nehmen. Er teilt sich dabei aber niemals wirklich.
Sieg
Sieg ist bei Rhythmomachie keine einfache Sache, denn es gibt viele verschiedene Siegesvarianten, manche „gewaltiger“ als andere. Deshalb unterscheidet man zwischen „gewöhnlichen“ und „echten“ Siegen:
Gewöhnliche Siege
Als gewöhnliche Siege sind jene Siege bekannt, deren Regeln vorher abgesprochen werden. Zwei Spieler können sich also beispielsweise einigen, Siege des Körpers zu erlauben, indem sie festlegen, dass jener gewinnt, der zuerst 10 Figuren gefangen nimmt.
Sieg des Körpers: Man nehme eine bestimmte Anzahl an Figuren gefangen
Sieg des Besitzes: Man nehme eine bestimmte Summe an Figurenwerten gefangen
Sieg der Einnahmen: Man nehme eine bestimmte Anzahl an Ziffern gefangen
Es sind natürlich auch Kombinationen der obigen möglich.
Echte Siege
Die wahre Kunst liegt darin, im Feld des Gegners eine „Harmonie“ aus drei oder vier Steinen zu etablieren. Die Steine des Gegners können in der Harmonie verwendet werden, dürfen aber nicht der letzte Stein in der Harmonie sein. In manchen Varianten muß auch der Turm gefangen genommen werden, bevor eine Harmonie etabliert werden darf, was auch für die Variante des Nexus Corenae gilt, bei welcher der Turm sogar (als einer seiner Teilsteine) für eine solche Harmonie herangezogen werden darf. Es gibt drei Arten der Harmonie:
Arithmetische Harmonie: Die Differenz der „linken“ und „mittleren“ Zahl ist gleich der Differenz der „mittleren“ und „rechten“ Zahl, z.B. 2:4:6. Mathematisch: b – a = c – b
Geometrische Harmonie: Wenn die Division der „linken“ durch die „mittlere“ Zahl gleich der Division der „mittleren“ durch die „rechten“ Zahl entspricht, zum Beispiel 5:10:20. Mathematisch:
(a : b ) = ( b : c)
Musikalische Harmonie: Die Division der kleinsten und größten Zahl entspricht der Division der Differenz der beiden größten und der beiden kleinsten Zahlen, z.B. 6:8:12. Mathematisch:
(a : c) = (b – a) : (c – b)
Um ein schnelles Spiel zu gewährleisten, werden die Harmonien häufig nicht einzeln berechnet, sondern in Tabellen nachgeschlagen. Solche finden sich z.B. in einigen Schriften des Nexus Corenae, aus welchem auch die hier aufgeführten Tabellen stammen.
Es ergeben sich also folgende echte Siege:
Ein kleiner Sieg gelingt, wenn man eine der obigen Harmonien mit drei Steinen im Feld des Gegners etabliert
Ein großer Sieg gelingt, wenn man zwei der obigen Harmonien mittels vier Steinen im Feld des Gegners etabliert (die Harmonien überschneiden sich also)
Ein gewaltiger Sieg gelingt, wenn man alle drei Harmonien mittels vier Steinen im Feld des Gegners etabliert
Die Harmonien
(entnommen einem Text des Nexus Corenae)
Arithmetische Harmonien
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