Auf meinem langen und beschwerlichen Weg in den Norden kam ich eines Abends in ein gar schreckliches Unwetter. Alle Schleusen des Himmels schienen sich geöffnet zu haben, der Regen prasselte nur so auf mein armes Haupt hernieder und der aufkommende Sturm drohte mich ohne viel Federlesens vom Rücken meines Pferdes zu wehen. Plötzlich entdeckte ich einen warmen, sich aus dem Dunkel des Waldes stehlenden Lichtstrahl, der mir eine Hütte mit einem trockenen Nachtlager verhieß. Als ich durch wogende Tannen näher ritt, wurde ich eines Wirtshausschildes gewahr. „Zum geselligen Einsiedler“ stand dort in längst verblichenen Lettern geschrieben. Flugs stieg ich ab, führte mein Pferd in den angrenzenden, baufälligen Stall und begab mich hinein. Dort schien die gesamte Bevölkerung dieses Landstriches anwesend zu sein… Die Stube schien von Lärm und Wohlgerüchen schiergar zu bersten.

Nachdem mich die Wirtin in ihrer eigenen charmanten Art aufgeklärt hatte, daß dies das einzige Gasthaus weit und breit sei und daß beinahe alle Betten belegt waren, ließ ich mir zu einem maßlos übertriebenen und wirklich überaus unverschämt zu nennenden Preis mein Nachtlager richten, da ich nicht vorhatte, im Taubenschlag zu nächtigen. An sich sollte noch genügend Platz vorhanden gewesen sein, da eine Gruppe Söldner ein Zelt als Nachtquartier aufstellen wollte, was aber aufgrund von Unschlüssigkeit oder Unvermögen nicht geschah… Als ich ein gar vorzügliches Essen genossen hatte, streckte ich meine Füße wohlig unter dem Tische aus und begann einzudösen. Aber anstatt mich in meinem Traume in Ruhe zu lassen, drängten allerlei Gespräche auf mich ein. Am lautesten war jedoch die Unterhaltung an meinem Tisch. Als ich aufblickte saßen da einige Ceriden… Und damit nahm das Unglück seinen Lauf… Wie sagte mein alter Vater doch immer: „Wenn Du auch nur in deren Dunstkreis gerätst, wirst Du unweigerlich Ärger bekommen. Das ist so sicher als wie ein Misthaufen Fliegen anzieht.

“ Die Gespräche wurden immer erregter. Ein Kerl Namens Trozzl krähte am lautesten. Trozzl mit „Z“, wie er immer wieder lautstark von sich gab. Dieser komische Vogel kam angeblich von einer Burg in der Nähe und behauptete, daß diese verschwunden sei, während er gerade auf der Weide sein Vieh hütete… Den hätte ich aber auch nicht mitgenommen! Der Burgherr, ein gewisser Jostan Kevlar war zu dieser Zeit ebenfalls außer Hause. Die haltlose Behauptung über das Verschwinden des Gemäuers wurde von einem unwirsch dreinblickenden Kerl neben ihm durch Bestätigung in Form von Hieben auf den Tisch unterstrichen, welche mir Schädelgrimmen zu verursachen drohten. Darob gerieten wir alsbald in einen munteren Streit. Da ich mich von Ceriden nicht gerne eines Besseren belehren lasse, machte ich innige Bekanntschaft mit den Fäusten von „Karr dem Jäger“, diesem Schläger. Trotzdem ließ ich mich dadurch nicht bekehren und teilte meinerseits hinterhältige Hiebe aus… nämlich dorthin, wo sie einem Ceriden am meisten wehtun.

Auf jeden Fall hielt sich das Gerücht der verschwundenen Burg hartnäckig und machte die Runde unter den Anwesenden. Scheinbar waren die Saarkani am Verschwinden der Burg beteiligt, da das Gemäuer angeblich auf ihrem heiligen Schrein errichtet worden war.

 

Im Laufe des Abends kam plötzlich der Koch der Taverne in die Gaststube gestürzt und faselte wirres Zeug. Was er genau wollte, konnte ich nicht verstehen… Danach erschienen noch einige Saarka-Priesterinnen, beteuerten ihre Unschuld und forderten die Leute auf, ihnen zu helfen. Als ob dies nicht genug wäre, tauchten anscheinend einige Phiarae auf, die ich zwar nicht gesehen habe, die aber angeblich die Zeit kurzfristig angehalten haben. Phiarae, das sind soviel ich weiß, eine Art Feenwesen, die sich im Parimawald rumtreiben und zu Unzeiten in die Belange anderer Leute einzumischen pflegen.

Am nächsten Morgen zogen einige mutige Abenteurer aus, um dem Aufruf der Saarkani Folge zu leisten. Sogleich wurde es ruhiger in der Taverne und ich dachte schon, daß diese unleidige Angelegenheit jetzt geregelt wird. Doch weit gefehlt… Als die mutigen Recken zurückkamen, berichteten sie von Kobolden und Räubern und davon, daß die Burg wirklich verschwunden war. Dann erfuhr ich noch, daß nach irgendeinem Pergament gesucht wird, das mit diesen wahrlich absurden Vorkommnissen in Verbindung steht. Weiter berichteten einige von dem Zeichner des Pergamentes, einem Künstler, der an der Verschönerung der Burg gearbeitet hat und das Verschwinden derselbigen miterlebt haben soll. Vielleicht war das ein Stümper und er hat die Burg in seinem Überschwang bis auf die Grundmauern abgerissen…

Sogar ich wurde verdächtigt das Pergament an mich genommen zu haben… Am meisten schmerzte mich aber, daß ein Landsmann von mir diese Anschuldigung vorbrachte. Mir, dem vertrauenswürdigsten und unschuldigsten Menschen der je unter dieser Sonne gewandelt ist. Nachdem ich diese Leute wortreich mehr oder weniger vom Gegenteil überzeugen konnte, richteten die mutigen Abenteurer ihr Augenmerk auf den Burgherrn Jostan, der gerade zur Tavernentür hereinstolzierte. Der hatte angeblich das Pergament bei sich! Dem galt es jetzt dasselbige abzunehmen. Eine gewisse Magierin (ja, Ihr habt richtig gelesen, jetzt auch noch Magier… das bringt das Faß zum Überlaufen…) legte das Wörtchen „aufhalten“ etwas zu streng aus und beförderte den armen Kerl in den nächsten Straßengraben. Da war das Durcheinander groß und es wurde nach den Heilern und den Saarkani geschickt. Karr der Jäger und Trozzl mit „Z“ wollten aber keine Priester an ihren Herrn lassen und es kostete einige Überredung damit die Heiler sich dem Darniederliegenden annehmen und ihn in die Wirtsstube schaffen konnten. Dieses Chaos nützte die Magierin aus, um zusammen mit ihrem Wachhündchen das Weite zu suchen. Ihren Bratspieß, einen Dreizack, hat sie aber in der Eile vergessen…

Dann tauchten angeblich wieder die Phiarae auf. Ich Konnte sie aber immer noch nicht sehen. Auch stürmten die Ceriden in einem Anflug des Wahnes mit einem Baumstamm gegen die verschlossene Tavernentür an, da sie ihren geliebten Herrn nun doch aus den Fängen der versammelten Heilerschaft zu befreien trachteten… Dies hat mich in meinem Entschluß bestärkt, sofort am nächsten Morgen diesem Chaos den Rücken zu kehren und mit zwei freundlichen Reisenden weiterzuziehen.

Die wackeren Abenteurer hatten also erfolgreich das Pergament an sich gebracht und analysierten das Geschribsel und wirre Gesudel bis in die späte Nacht hinein. Plötzlich flog die Türe auf, einige Heliosgardisten betraten den Schankraum und forderten das Pergament. Niemand dachte in ihrer Gegenwart an eine Weigerung oder irgendeine Art von anderem Unsinn und so zogen diese mit dem Papier von dannen, um es in einer Akademie untersuchen zu lassen.

Früh am nächsten Morgen packte ich meine bescheidene Habe und verschwand so schnell ich konnte gen Norden. Auf meiner weiteren Reise habe ich mich nur in Gasthäusern niedergelassen, in deren Nähe es keine Burgen gab, die eventuell die Eigenart hätten zu verschwinden…

Ich hoffe, Ihr habt aus meinen Ausführungen irgend etwas verstanden, denn mir bleibt die ganze verworrene Geschichte bis jetzt ein Rätsel…

Erschienen in Helios-Bote 8