Für gewöhnlich interessierten sich die DarborerInnen eher weniger für die amtlichen Aushänge am Redonsbrunnen. Doch dieses Mal sorgte der in großen Lettern geschriebene Aufruf für Diskussionsstoff. Ein überraschtes Murmeln und zustimmendes Nicken war zu vernehmen, denn der Appell des Großwesirs rannte offene Türen ein:

„Werte BürgerInnen Darbors – Wir brauchen Euch! In den letzten Monden verschwand ein vertrauter Anblick aus den Gassen unserer geliebten Stadt. Das Bettelvolk hat sich gänzlich zurückgezogen. Dies kann nur darauf zurückgeführt werden, dass so viel für alle da ist, dass keiner mehr gewillt ist, seinen Lebensunterhalt zu erbetteln. Erst jetzt begreifen wir, was wir verloren haben. Wohin mit unserer Mildtätigkeit? Der Verlust von sozialen Kontakten, wenn wir einsam durch das Hafenviertel streifen, ohne ausgeraubt zu werden. Die exzellente Unterhaltung, wenn uns ein Gestrandeter eine traurige Geschichte erzählte. Die körperliche Nähe, wenn sich Krüppel an unsere Beine festklammerten, um ein Stück Brot zu ergattern.

Jeder ist aufgerufen, diesem Missstand ein Ende zu bereiten. Daher bieten Wir euch die Gelegenheit ein Stück darianer Kultur uns unsere Stadt zurückzubringen. Ein jeder, der sich der Tradition der Bettler und Schnorrer verpflichtet fühlt, kann für einige Stunden diese Rolle übernehmen. Entsprechende Kleidung, ein rostiges Messer und eine Bettelschale werden gestellt, ebenso erfolgt eine kurze Einweisung in das Gewerbe.

Nach erfolgreich erledigtem Einsatz wird eine Aufwandsentschädigung ausbezahlt. So zögert nicht, liebe BürgerInnen und meldet euch zum freiwilligen Dienst beim Hintereingang des Palastes, linke Tür mit der Aufschrift „Kulturamt“.

Erschienen in Helios-Bote 83