freies und unabhängiges Mitteilungsblatt des Landes Heligonia
Im 3. Poëna, 23 n.A.III
Ausgabe 4

Neuigkeiten aus der Grafschaft Drachenhain

Noch erfreut sich Graf Waldemar von Drachenhain bester Gesundheit. Dennoch erheben sich immer wieder Stimmen, die bezweifeln, ob die Erbfolge des Hauses Drachenhain  gesichert sei. Aufgrund des bekannten Fluchs, der die Kinder Waldemars getroffen hat, ist es diesen nicht mehr gestattet die Grafschaft Drachenhain zu betreten. Doch sollte dieser Fluch nicht gebrochen werden können, wer wird dann die Nachfolge des alten Grafen übernehmen? Der einzige Bruder des Grafen, Wunjo, ist leider schon in seinen besten Mannesjahren einem Jagdunfall zum Opfer gefallen. Sein einziges Kind, Josephina von Drachenhain, ist seither verwaist, da ihre Mutter schon früh verstarb. So gerne sich Waldemar seinen Sohn Leomar von Tatzelfels als  Nachfolger wünschen würde, ist es ihm auch klar, daß falls der Fluch anhält, Josephina die Erbfolge antreten wird. Beim einfachen Volk ist Josephina seit langer Zeit bekannt und beliebt. Schon von Kindesbeinen an begleitete sie ihren Vater auf dessen Jagdausflüge und erlernte so ein außerordentliches Jagdgeschick. Etikette  und  höfisches  Gehabe  waren  ihr  schon  immer ein Greul. Obgleich sie eher von zierlicher Statur ist, führt sie selbst schwere Waffen mit tödlicher Sicherheit und trägt eine eiserne Kettenrüstung ebenso elegant wie ein Festgewand. Die Feiern der einfachen Leute bereiten ihr größtes Vergnügen. Bei diesen Anlässen greift sie auch selbst nach ihrer Harfe oder Drehleier und singt und spielt bis in die Morgenstunden. Selbst den einzigartigen Drachenhainer Dialekt spricht sie fehlerfrei. Gerüchte lassen verlauten, daß Josephina sogar so weit gegangen ist, sich ihren Gefährten aus dem Volk zu wählen. Dies würde auch erklären, warum sie die adeligen Freier, die ihr den Hof machen immer wieder abweist.

Prinzessin Celia von Thal hält Hof

Nach ihrer überstürzten Abreise von Burg Tatzelfels zog Celia sich auf ihren Stammsitz Burg  Uhlenstein zurück. Dort ereilte sie die Kunde über das Erscheinen des sagenhaften Kometen Hyakutake. Nach Aussagen namhafter Astrologen verheißt dieser Komet ein gutes Omen. Und dies sollte sich auch bewahrheiten.  Die in Ausgabe 3 des Helios-Boten erwähnten mysteriösen Umstände über Baron Leomars Aufenthaltsort sind nun geklärt. Er befindet sich derzeit auf Burg Uhlenstein, um sich dort auf seinen Tod vorzubereiten. Die Krankheit, die er sich auf Burg Tatzelfels zuzog, hatte sich nämlich sehr verschlimmert. Aus diesem Grunde reiste der Kleriker Tiberius gen Uhlenstein, um Baron Leomar einen von ihm einbehaltenen verblieben Rest der Essenz zur Heilung seiner tödlichen Krankheit anzubieten.

Edmond de la Cruz, Bruder des Barons, urteilte eigenmächtig, daß diese Essenz zufürderst von seiner Heiligkeit Erzprimus Benedikt Canesius, Abt von Gunara, examiniert werden solle. Er beschlagnahmte die Essenz und reiste unverzüglich nach Gunara. Dort urteilte seine Heiligkeit, daß diese Essenz zu Recht einbehalten wurde, denn ihre überaus große Gefährlichkeit kann keineswegs abgestritten werden. Es stellte sich also heraus, daß Baron Leomar von Tatzelfels ein Opfer tragischer Umstände geworden war. Sein trauriges Schicksal schien besiegelt.

Baron Leomar von Tatzelfels geheilt

In der Hoffnung, Baron Leomar zu helfen, machten sich dem Kometen folgend vier Abenteurer auf ins Land Avalon zu reisen. Dort stießen sie auf das Dorf Wolfensgreeve. Seltsame Begebenheiten zwangen sie zu einem längeren Aufenthalt. Von den Dorfbewohnern war zu erfahren, daß dort Graf Ridan seit sage und schreibe 200 Jahren regiert. In dessen Diensten befand sich ein Magus, der offensichtlich ein Mittel gegen das Altern und den Tod gefunden hat. Mit Hilfe der Auffindung eines arkanen Machwerks konnte die Abenteuergruppe an ein Heilmittel gelangen. Eiligst schickten sie sich an diese Tinktur Baron Leomar zu überbringen. Bereits nach einmaliger Anwendung des Heilmittels bewahrheitete sich das Versprechen des Magus und Baron Leomars Genesung führte zu einem endgültigem Sieg über die Krankheit.

Was dem Helden nach der Schlacht zusteht

ist

 Tatzelfelser Honig-Met!




Reisebericht des Kenders Aris Kacksi Nervspalter Biperfell

Ich kam gerade aus dem Düsterwald in Schandar, wo ich meinen verlorengegangen Bruder gesucht hatte.  Da traf ich am Straßenrand auf einen netten Mann namens Larius am Kila. Dieser war gerade dabei eine Mahlzeit zu bereiten und er lud mich dazu ein. Dabei erzählte er mir, daß er nach Burg Uhlenstein wolle und er noch einen Gehilfen benötige, der auf sein Gepäck aufpaßt. Ich bot ihm sofort meine Hilfe an und gemeinsam zogen wir mit seinem alten Wagen nach Burg Uhlenstein. Als wir zur achtzehnten Stund dort ankamen hatten sich wohl an die dreißig Menschen im Burghof versammelt. Zuerst begrüßte ich einen netten, rot gewandeten Herren, der sich mir als der Inquisitor Edmond de la Cruz vorstellte. Gleich erzählte ich ihm von meinen Abenteuern. Bei der Geschichte, wie ich mit einem Waldgeist gesprochen hatte, wurde er hellhörig. Bei solchem Interesse wollte ich sofort mit der Geschichte vom Feuerdämonen anfangen, doch Larius hielt mir den Mund zu. Er meinte, daß ich gerne etwas übertreibe und phantasieren würde. Das hat mich doch etwas beleidigt. Doch das verging wieder, als ein Mann mein Interesse erweckte, der mir erklären wollte was Etikette ist (wenn der wüßte, daß ich schon mal ein halbes Jahr am Hofe gelebt habe). Außerdem erzählte er mir, daß Edmond ein Schafshirte sei. Als ich mich so umsah, fiel mir auf, daß noch ein Kender in der Burg war. Sein Name war Ricky Flinkfinger und wir schlossen sofort Freundschaft. Bei einer Burgbesichtigung erzählten wir uns gegenseitig von unseren Fundstücken und Abenteuern. An der Kapelle entdeckten wir, daß das Schloß, welches die Tür vor ungebetenen Gästen schützen soll ziemlich unsicher ist. Mit wenigen Handgriffen hatten wir es geöffnet. Daraufhin schrieben wir dem Schafhirten eine Nachricht, daß er das Schloß lieber auswechseln lassen sollte, schon wegen der Diebe und Einbrecher. Im Laufe meiner Burgerkundigungen stellte ich fest, daß einige der Anwesenden schon mal meine Wege gekreuzt hatten und zwar im Düsterwald und auf dem Sand-berg im Reiche Tikon. Am Abend dann saßen wir zusammen und lauschten den wunderschönen Klängen der Barden, die im Audienzsaal aufspielten. Die Krönung des Tages waren jedoch die vier Torten, die Larius und ich für die Prinzessin von Thal und ihr Gefolge gemacht haben. Am Rande erfuhr ich noch, daß der Schafhirte eine Medizin an sich gebracht hatte, die eigentlich für dessen Bruder Leomar bestimmt war. Der Kleriker Tiberius hatte die Essenz zur Heilung von Leomars Krankheit mitgebracht, doch Edmond wollte die Medizin bei seinem Bruder gegen ein paar Ländereien eintauschen. Leomar ging nicht auf den Handel ein und muß jetzt wahrscheinlich sterben. Am nächsten Morgen saßen wir noch etwas zusammen und  die Hofalchimistin lud mich ein mit in ihrer Kutsche zu reisen. Sie fuhr auch in Richtung Düsterwald, wo ich weiter nach meinem Bruder suchen werde. Der Abschied fiel mir sehr schwer und nun sitze ich hier im Mordorsfelder Humpenkeller, eine Taverne in Synoda und schaue mich nach unvorsichtig verstauten Beuteln um.

Ist’s Dir am Morgen früh zum Spein,

liegt’s sicher am schlechten Wein!

 

Damit es Dir morgen besser geht,

trink Tatzelfelser Honig-Met!




Das Land Heligonia

Heligonia wird von vielen Geschöpfen und Kreaturen bevölkert. Nur der untere Teil des Reiches gehört der menschlichen Rasse, die einst über die Jolsee ins Land drangen. Immer wieder gelangen abenteuerliche Geschichten und Legenden über die darüber  gelegenen Landstriche zu den Menschen vor.

Im Nord-Osten Heligonias, im Parimawald, soll eine humanoide Rasse, die sich Quez-Seletan nennt, ihr Unwesen treiben. Nur wenige Augenzeugen haben sie jemals gesehen und die Berichte über sie sind unterschiedlich und verworren.

Östlich des Parimawaldes liegt vermutlich das sagenhafte Elfenreich. Nur gelegentlich wagen sich vereinzelte Elfen bis in die Menschensiedlungen vor. Nähere Beschreibungen über deren Städte sind in keinem Archiv zu finden, denn nur Angehörigen der Waldläufer ist es gestattet die Elfenwälder zu betreten.

Am Ursprung des Jolborns, dem größten Fluß Heligonias, liegen die Drachenzinnen. Ein Paß durch das unwegsame Gebirge ermöglicht einen regen Handel mit dem Nachbarreich Nuremburg.

Der zweite große Strom des Landes ist der Brazach. Sein Quell-gebiet konnte noch nicht erforscht werden. Vermutlich liegen dort die Städte und Bingen des legendären Zwergenreiches Doromanosch.

Die Archivarin und Vorsteherin der königlichen Schreibstube, Talimee, konnte nach langen Bemühungen und unter Zugrundelegung sämtlicher brauchbarer Reiseberichte nun eine einigermaßen zuverlässige Karte Heligonias erstellen. König Helos Aximistilius III hofft nun, daß die zweite Erkundigung die vom Parimawald aus gemacht wird, endlich neue Erkenntnisse über sein Reich bringen. Die erste Expedition hat König Helos Aximistilius III bereits in seinem dritten Regierungsjahr vor zwanzig Jahren entsandt. Leider ist diese seither verschollen.  Selbst ein nachgesandter Aufklärungstrupp verschwand auf ebenso mysteriöse Weise.

Die Legende von der Fee aus dem Parimawald

Vor langer Zeit lebte ein armer Fischer in Brazfurt, ein kleines Dorf nördlich von Escandra am Ufer des Brazach gelegen. Seine ärmliche Hütte befand sich nahe dem Parimawald, über den sich die Menschen die seltsamsten Geschichten erzählten. Eines Tages begab er sich in den Wald um Feuerholz zu suchen. Da erblickte er auf einer Lichtung ein seltsames Leuchten. Als er darauf zu ging wurde aus dem Leuchten ein strahlendes Licht und seine Augen waren geblendet. Wie er seine Umgebung wieder wahrnehmen konnte, lag dort auf der Lichtung eine wunderschöne Frau mit schneeweißer Haut und rabenschwarzen Haaren. Zuerst wähnte er sie tot, doch dann konnte er noch ihren schwachen Atem spüren. Er hob sie auf und trug sie nach Hause. Dort erholte sie sich dank seiner aufopfernden Pflege und in ihnen entbrannte das Feuer der Liebe. Viele Monde gingen dahin, doch sie sprach nie über ihre Herkunft und ihre Vergangenheit. Als sich der Tag der Helioswende näherte sprach sie zu ihm: „Geliebter, ich werde Dich für zwei Tage verlassen, um im Wald allein zu sein. Bitte vertraue mir und verfolge mich nicht.“ Wie versprochen kehrte sie nach zwei Tagen in die Fischerhütte zurück und sprach kein Wort darüber, was sie dort im Wald erlebt hatte. So ging das Jahr für Jahr immer zur Zeit der Helioswende. Die Jahre gingen dahin und der Fischer wurde immer älter. Die Frau jedoch behielt ihre Schönheit und Jugend. Oft fragte sich der Fischer nach ihrem Geheimnis, denn er wußte zwar, daß auch den Elfen ein längeres Leben beschieden ist, doch seine Frau war allem Anschein nach keine Elfe. Nach Jahren der Ungewissheit hielt er seine Neugier nicht mehr aus und als der Tag wiederkehrte, an dem sie wieder in den Wald ging, verfolgte er sie. Die Frau lief zu der Lichtung, an der er sie vor vielen Jahren gefunden hatte. Hinter einem Baum versteckt konnte er beobachten, wie sie seltsame Dinge in einen schönen, güldenen Kessel tat und dabei ein Lied sang. Diese Tat nahm die ganze Nacht in Anspruch.  Schon glaubte der Fischer mit einer Hexe zusammen zu sein. Doch als Helios seine ersten Strahlen vom Himmel schickte erschienen auf der Lichtung die Umrisse eines marmornen Gebäudes. Von Nebeln umspielt und in helles Licht getaucht sah er die Frau in dieses Gebäude eintreten. Augenblicke später war das Gebäude und seine Frau verschwunden. Verwirrt über dieses Erlebnis lief er nach Hause.  Wie in den Jahren zuvor kehrte seine Frau am dritten Tage zu ihm zurück. Er gestand ihr seine Neugier und berichtete was er in der Lichtung im Parimawald gesehen hatte. Da brach die Frau ihr Schweigen und erzählte dem Fischer, daß sie aus dem Feenreich gekommen ist.  Von dort wurde sie beauftragt etwas in der Menschenwelt zu suchen, das für die Feen von großer Wichtigkeit ist, was es jedoch ist dürfe sie niemals verraten. Damit gab sich der Fischer zufrieden und er genoß jedes weitere Jahr, das er mit der Fee verbringen durfte. Nach seinem Tode trug sie ihn zu Grabe und verschwand im Parimawald. Noch heute behaupten immer wieder Holzfäller und Jäger, daß ihr liebliches Lied  im Wald zu hören sei, doch sie ward nie wieder gesehen.

Ausgabe 4 des Helios-Boten im Mai 1996
© 2003-1996 Waldfaun-Verlag, Aalen-Waldhausen
Alle Rechte vorbehalten