Zwei leere Betten fand der Kerzenziehermeister Knev Ullhart vor, als er zum ersten Hahnenschrei des 5. Tages des II Xurlmonds, die beiden scheinbar saumseligen Lehrlinge aus dem Stroh jagen wollte. Zunächst glaubte der landbekannte Meister noch an einen Dummenjungenstreich seiner Schützlinge, doch nachdem sie weder im Laufe des Tages, noch am Abend und auch zwei Tage später immer noch nicht heimkehrten, geriet der Drachentrutzer allmählich in Sorge und verständigte die Burgwache. Emsige Nachforschungen ergaben, dass die Jungen am Abend des 4. Tag – also am Vortag ihres letzten Zusammentreffens – die Feste aufgrund eines nie angeordneten Botengangs durch das Südtor verlassen hatten und seither von keiner Menschenseele mehr gesehen worden waren. Da die beide jungen Drachentrutzer bekanntermaßen zu jenen hitzigen Gemütern zählten, welche den angrenzenden Antrutzern mehr als missgünstig gegenüberstehen, wurde auf Geheiß des Burgvogts Kerstan von Tuachall umgehend eine Abordnung in die Nachbarbaronie entsandt. Allein, die Lehrlingsbuben scheinen in den Antrutzen niemals angekommen, egal mit welchen wirren Vorsätzen sie auch immer losgezogen waren. Ortskundige Augen besahen sich sodann alle möglichen und unmöglichen Wege zwischen dem Fürstensitz und der Wallbaronie, doch waren auch hier – man muss eigentlich sagen, den Vieren sei Dank! – keinerlei Anhalt auf Gewalt oder Flucht zu entdecken. Auf der Feste verdichtete sich unter der Bürgerschaft indessen die Sorge um die Burschen, nebst ins Kraut schießende Befürchtungen, zu allerhand Unmut. Noch während die Burgwache nach dem Verbleib der Vermissten fahndete, rottete sich vor Meister Ullhart Haus eine lautstarke Menschenmenge zusammen, bevor sie sich laut krakelnd – und mit allerlei Handwerkszeug bewaffnet – in Richtung Südtor aufmachte. Derart war die Stimmung der Bürger aufgeheizt, dass die Bemannung des Südturms dem Mob allein durch das Abfeuern von einem halben Dutzend Warnschüssen Einhalt gebot. Missmutig zog hierauf die Menge von dannen, wobei sich der Groll noch in der Demolierung der Taverne Zum Mantelhaken, dem Diebstahl eines großen Weinfasses, sowie von fünf Karnickel und sechs Eiern, entlud.
Burgvogt Kerstan von Tuachall ordnete eine sofortige, für die Dauer von sieben Tagen währende Verstärkung der Wachschaft an und versetzte zudem die gesamte Burgwache der Feste in erhöhte Alarmbereitschaft. Trotz alledem drohte die Lage ganze zehn Tage später erneut zu eskalieren. Ein hier ungenannt bleibender, besorgter Drachentrutzer meldete seine Ehegattin als seit drei Tagen verlustig. Der hierauf eilends ausschwärmenden Burgwacht gelang es glücklicherweise sehr rasch, die Vermisste – friedlich im Bette liegend – ausfindig zu machen. Pikanter Weise befand sich die Ahnungslose zum Zeitpunkt ihres Auffindens jedoch nicht bei sich zu Hause, sondern wurde unsanft in der Bettstatt eines anderen Mannes aus süßem Schlummer erweckt. Der Vorfall machte freilich rasch die Runde, trug zwar in der allgemeinen Erheiterung zur Entspannung der Lage auf der Feste bei, doch muss an dieser Stelle einmal mehr die Obrigkeit zu entschlossenerem Handeln aufgefordert werden, endlich die Zwietracht zwischen An – und Drachentrutzer zu schlichten, bevor irgendwann noch Ärgeres passiert.

Meister Minhard Balamus, Drachenhainer Hofberichterstatter
Gegeben zur Feste Drachentrutz,

Erschienen in Helios-Bote 81