Wie schon in der letzten Ausgabe berichtet, wurde Asgrimm Goldschild vom König betraut die Finanzen der Baronie Tatzelfels zu ordnen. Es ist jedoch zu vermuten, daß König Helos III auch an anderen internen Informationen aus Leomars Umfeld interessiert ist.
Das weite Feld der Wissenschaft über die Form und Gestalt der Erde ist schon lange nicht mehr bestellt worden. Seit Urgedenken haben sich die Gelehrten darauf geeinigt, daß die Erde eine Scheibe ist. Nach neusten Messungen und Überlegungen der führenden Ogeden ist man jedoch zu dem Schluß gekommen, daß die Erde auf gar keinen Fall eine Scheibe sein kann, sondern eine Schale sein muß. Bei näherer Betrachtung dieser Behauptung wird man auch feststellen, daß es logisch ist, denn die Meere und sonstige Wassermassen würden am Rande der Scheibe unweigerlich in die Tiefen der Unendlichkeit stürzen. Eine Schale hingegen weist am Rand die erforderliche Krümmung auf um dies zu verhindern. Damit wäre auch die Bedeutung und Notwendigkeit der Gebirge erklärt, die den Rand der Schale säumen. Der Ogeda Kardor aus Ankur äußerte bereits die Befürchtung, daß diese revolutionären Erkenntnisse auf breite Ablehnung unter den Ceriden stoßen wird, die nach wie vor eisern an der alten Vorstellung von der Welt als Scheibe festhalten.
Im Jahr der schrecklichen Prüfung kam es in der Grafschaft Drachenhain zu einer Katastrophe. Graf Waldemar von Drachenhain, auch scherzhaft Stiernacken genannt, ließ in diesem Jahre 39 Bauern qualvoll hinrichten, weil jene unter Verdacht standen, Gerste und Weizen unterschlagen zu haben. Doch Wolfram und Leomar, die Söhnen des strengen Grafen, hatten das Korn in einem Glücksspiel an einen reichen Händler aus dem Herzogtum Betis verloren. Dies bekam die Hexenmutter Saleena zu hören. Sie strafte die Grafschaft mit einem schrecklichen Sturmgewitter. Ganze Dörfer wurden vernichtet und die Feste Drachenzahn, der Stammsitz derer zu Drachenhain, wurde zerstört. Wolfram und Leomar, sowie ihre Schwester Syria flohen aus Angst vor dem Unwetter und somit vor dem Zorn der Hexenmutter. Kaum betraten sie das Gebiet des Fürstentumes Thal, hörte es auf zu stürmen und zu regnen.
Doch sollten sie je wieder gemeinsam die heimatliche Erde betreten, dann gnade ihnen Helios.
Das Ergebnis dieser „Hexenrache“ war, daß große Teile der Landwirtschaft lahmgelegt und die Feste Drachenzahn zerstört wurde. Dies erfuhr der Erzprimus, das geistliche Oberhaupt der Ceriden, und bat den König um Hilfe. Hierzu ein Auszug aus dem Brief des Erzprimus Benedict Canesius, Abt von Gunara, an den König:
An seine Göttliche Majestät Helos Aximistilius III
Dieweil dann zu unseren Zeiten alle Zaubereyen auf Teufelsgespänst dermaßen überhandnehmen, das schier alle Städt, Märckt und Dörfer im gantzen heligonischen Reiche, will von anderen Völkern und Nationen nicht reden, desselben unzifers und Teufels dienern voll seindt, welche nicht allein die liebe Frucht auf dem Felde, die mit ungewöhnlichen Donnern, Blitz, Schauer, Hagel, Sturmwinden, Reiffen, Wassernöthen, Mäusen, Gewürm und was andere Sachen mehr sein in dem Grundt zu verderben sich unterstehen, sondern auch den Menschen durch Verderbung des Viechs als Küh, Kelber, Pferdt, Schaff und dergleichen zunehmen und abspannen, nach all ihrem Vermögen trachten, ja nicht das Vieh und Frücht der Erden allein, sondern auch ihrer nechsten und etwan gespinsten Blutzfreund nicht verschonen und in großer anzahl hinrichten. Weil dann diesem als, thut ein Obrigkeit löblich wohl und nach Gottes Befehl das sie solche Teuffels kinder die Gott und dem Menschen zuwider und deren abgesagte Feind sein, von der Erden wegräumen, durch fewer und Schwert aus dem mittel nehmen. Darum will ich bitten, daß ihro Gnaden das „Directorium Inquisitorium“ genehmigen zum Wohle des Reiches und der Menschen und des Viechs.
Erzprimus Benedikt Canesius, Abt von Gunara
Noch drastischer drückte sich der Graf von Drachenhain in einem Brief an seinen Sohn Edmond, ehemals Wolfram, Abt von Dunkelstein, aus. Hier ein Ausschnitt:
. . . Man soll das Unzüber austreiben thun, allenthalb, all Oberkeit mit gleicher Rach, das mir doch ainest mögen haben Fryheit und Ruhe ohn allen Schaden. . .
Im Jahre 7n.d.F. (nach dem großen Fluch) genehmigte König Helos III die Inquisition und gab damit dem Drängen und Bitten des Erzprimus nach. Das „Directorium Inquisitorium wider der Hexerei und Magicae destructiva“, kurz „Heilige Inquisition“ genannt, wurde geschaffen. Das Directorium besteht aus zwölf Inquisitoren und dem Großinquisitor. Der Titel des Großinquisitors und des Erzprimus sind seit 8n.d.F. in Personalunion. Das Directorium ist also direkt dem König unterstellt. Verurteilt ein Inquisitor einen Ketzer, so kann das Urteil nur vom Großinquisitor oder dem König widerrufen werden. Adlige dürfen von der Inquisition nicht ohne Beisein des Königs verurteilt werden. Bei Freien (Bürgern) muß der Inquisitor ein Tribunal gründen. Er ist verpflichtet zwei Beisitzer zu ernennen, die ihn bei seiner heiligen Arbeit unterstützen. Unfreie und Leibeigene, die der Hexerei und der Schwarzmagie verdächtigt werden, können sofort in einer Art Standgericht vom Inquisitor verurteilt werden. Die peinliche Befragung, auch Tortur oder Folter genannt, darf jedoch bei Adel, Freien und Unfreien angewandt werden. Hierbei ist jedoch zu beachten: der Tod kommt nicht bei der Tortur, denn diese soll ja erst das Geständnis bewirken. Ohne die Geständigkeit darf hingegen keiner gerichtet werden der schuldig ist der Hexerei und Ketzerei.
Die Inquisition stützt sich bei ihrer Arbeit auf zwei juristische Werke: die kgl. Heligonische Halsgerichtsordnung und den Dunkelsteiner Hexenhammer.
Der Dunkelsteiner Hexenhammer wurde in den Jahren 6 bis 7 n.d.F. von einem jungen Mönch namens Edmond de la Cruz alias Wolfram von Drachenhain geschrieben. Hier ein Auszug daraus:
. . . Welich Mensch im Reich ungelaubig sein und dymit zauberey und mit gifft umbgeben, soll man auf einer Hauf prennen. Und welicher richter diese Untat nicht richt, denn soll sein Obrister richten und diser weiss, dy der übeltäter verschuldet hat . ..
. . . Item so jemand den leuten durch Zauberey schaden oder Nachtheyl zufügt, soll man strafen vom Leben zum Tod. Und soll solche Straf mit dem Fewer thun. Wo aber jemand Zauberey gebraucht und damit niemandt schaden gethan hett, soll sonst gestraft werden nach gelegenheit der sach. .
Auf seiner langen, beschwerlichen Reise im tiefsten Winter erhielt Baron Leomar von Tatzelfels eine Einladung des Burgherrns zu Katzenstein. Leomar erwies ihm zwei Tage samt Gefolge die Ehre seines Besuches. Zur Zerstreuung und Unterhaltung lud der Baron die besten Gaukler und Barden des Reiches ein. An diesem Abend konnte sich der Burgherr im Glanze des Barons sonnen und hatte schon eiligst den hiesigen Schreiber bestellt, um am Ruhme des Hauses Tatzelfels teilzuhaben. Wie sich zu späterer Stund herausstellte, war jener Burgherr mehr dem Weingeiste, als den Genüssen der Kunst erlegen. Leomars Spion weiß zu berichten, daß dieser bürgerliche Burgverweser nun mehr Zeit damit verbringen kann in den Weinkelch zu blicken, denn die Burg wird in Kürze von einem hoffentlich würdigeren Nachfolger beseelt.
Nachdem Einzug in die Burg gehalten wurde, nahm man im alten Brunnengewölbe Platz, um den Klängen der Barden zu lauschen. Am offenen, wärmenden Kaminfeuer wurde zu angemessener Zeit Spanferkel, Brot und Sauerkraut serviert. Mit besonderem Stolz muß erwähnt werden, daß Gaukler Willi für diesen Abend gewonnen werden konnte, um die Anwesenden durch seine große Zauber- und Gauklerkunst zu verblüffen. Nicht weniger trefflich waren die spektakulären Jonglierkünste des weithin bekannten „Trios Philipo“. Selbst das ärgste Dezemberwetter konnte die Zuschauer nicht davon abbringen den kühnen Feuerspucker Struppi zu bewundern. Natürlich waren alle Akteure beim Spiel mit dem Feuer darauf bedacht, daß die Burg nicht noch einmal in Flammen aufgeht, wie es bereits einem Mond zuvor der Fall war.
Prinzessin Syria stellte zufrieden fest, daß dieser Abend ein gelungener Anlaß war das Gefolge zu zustreuen. Auch konnten bei dieser Gelegenheit neue Gardisten und Getreue für den Hof Tatzelfels gewonnen werden und in ihre neue Aufgabe eingewiesen werden.
Der überaus freundliche Vertreter der dortigen Schreibergilde hat uns mit einem sehr heliosgefälligen Bericht bedacht, der beim Archivar Jeremias eingesehen werden kann.
Gemäß den Satzungen der Druckergilde sind wir verpflichtet diese Richtigstellung in unveränderter Form zu veröffentlichen. Die Drohung, daß bei Zuwiderhandlung damit zu rechnen sei, daß Koporal Giselher „Feuer und Flamme“ für uns sein wird, haben wir übergangen.
In Ausgabe Nr.1 vom 1. Saarka 23 n.A.III wurde behauptet, daß Prinzessin Celia von Thal trotz des Schutzes der Niederwerrner Garde entführt wurde. Dies ist grob mißverständlich bzw. falsch. Richtig ist hingegen, daß genannte Prinzessin von der Niederwerrner Garde entführt wurde. Diese Verdrehung der Tatsachen gefährdet unseren Ruf als Profisöldner nicht unerheblich.
Loki, Doctorus pruentiae iuri,
Advocatus der Niederwerrner Garde
© 2003-1996 Waldfaun-Verlag, Aalen-Waldhausen
Alle Rechte vorbehalten