Boten-Teil: Tanzbär

Seemannsliebchen

In jedem Hafen, so ist’s Brauch
Ein Seemann hat sein Liebchen
Ob Maat, Matrose, Smutje auch
Er segelt in der Welt umher
und sie erwartet, Blick aufs Meer
Ihr flottes Seemannsbübchen!

Im ersten Hafen meiner Fahrt
Da wartet schon mein Liebchen
Sie ist von gar adretter Art
Ein langes Kleid, kokett geschnürt
Ein blonder Dutt, der mich verführt…
Hier kommt Dein hübsches Bübchen!

Im nächsten Hafen meiner Fahrt
Da wartet schon mein Liebchen
Sie ist von recht robuster Art
Mit festen Armen packt sie an
Kein Kniff, kein Griff, den sie nicht kann…
Hier kommt Dein starkes Bübchen!

Im nächsten Hafen meiner Fahrt
Da wartet schon mein Liebchen
Sie ist von sehr gewitzter Art
Ob Handel, Scherz, Gelehrsamkeit
Ihr Sinn gräbt tief, ihr Rat trägt weit…
Hier kommt Dein schlaues Bübchen!

Im letzten Hafen meiner Fahrt
Da wartet schon mein Liebchen
Sie ist von zugewandter Art
Die Haut so zart, die Lippen weich
Setzt sich auf meinen Schoß sogleich…
Hier kommt Dein schmiegsam Bübchen!

Doch… nenn ich nur ein Fährboot mein
Ich armes Seemannsbübchen
und schippere tagaus, tagein
nur zwischen Pier und Hafen
und abends heim zu Schlafen
Da wartet schon mein Liebchen
Mein Hübsches, Starkes, Schlaues, Schmiegsames
Mein Liebchen!

Kielholergeschichten Folge 55: Der nicht ganz abgeschlossene Reisebericht

Joost van Goov nahm die Pütz und stülpte sie dem ollen Piet über den kahlen Kopf, der daraufhin, wie ein Thaler Göckele laut krakeelend im Kreis stolzierte. Während dessen nahm die Backbordwache in der Kuhl Aufstellung und ließ im perfekten Harmoniegesang den Ödländerchor aus Wolfgrimm Aramantus Mordsharts Oper Teemon, Kaiser von Teemooranien erschallen. Zur gleichen Zeit begann die Steuerbordwache das Großsegel zu bügeln, während der Stückmeister und der Bootsmann mit Belegnägeln jonglierten. Unbemerkt lief das Schiff auf eine Sandbank auf. Von dem Ruck umgeworfen, purzelten alle Seeleute auf Deck durcheinander. Kielholer erhob sich als erster wieder. „Bei Xurls Harnschlag! Joost Van Goov!“ stöhnte Kielholer, „Kannst Du nicht den Kurs ändern lassen, wie jeder andere auch?“

Kielholergeschichten Folge 3478: Landurlaub

Kapitän Xurlsen Kielholer wagte nicht, sich umzudrehen… zu groß war die Gefahr, dass der Flamingo, welchen er auf seinem Kopf balancierte, das Gleichgewicht verlor und sich über sein Offizierspatent zu seinen Füßen ergießen würde. „Warum nur“, dachte Kielholer „habe ich mich auf diese verdammte Wette eingelassen? Und warum nur“, so dachte Kielholer weiter “muss ausgerechnet jetzt ein Bote mit einer Nachricht der Admiralität auftauchen?“. Doch ein echter Held kennt immer einen Ausweg! „Legen sie den Schrieb dort hinten auf das tlamanische Möbel. Nehmen sie sich noch einen Keks und gute Heimfahrt!“ Kaum war der Kurier nach einem zackigen Salut verschwunden, ließ Kielholer den Flamingo mit einer mühelosen Bewegung seines Nackens um sich selbst rotierend in die Lüfte steigen, während sich der Inhalt in seine Kehle ergoss, ohne dass auch nur ein einziger Tropfen den Boden benetzte. „Ah, das tut gut, bei der Hitz!“ rief Kielholer, fing das Glas mit der Ferse auf und schlenzte es mit gekonnter Finesse in den Trog für Schmutzgeschirr zu den restlichen Sachen. Nächste Woche würde der olle Piet kommen und den Abwasch machen. Ein tolles Leben, ein toller Landurlaub, eine tolle Jungesellenbude. Dann nahm er sich den Brief von der Chaise Longue (ein Geschenk einer wohlhabenden und einflussreichen Verehrerin) und informierte sich über sein nächstes Abenteuer.

Anglerlatein

In der Seefahrerschenke „Zum Fischmaul“ saßen bei Bier und Ischgi, die Fischerinnen und Fischer des Ortes beisammen, denn der Wirt war früher selbst ein Seebär gewesen. Nach den vielen Gesprächen mit welchen Knoten sich das beste Fischernetz knüpfen lässt, welches Boot bei hoher See am ruhigsten im Wasser liegt und wo gerade die besten Fischschwärme zu finden sind, kommt das Gespräch fast jeden Abend zum selben Thema. Wenn der ewige Kreislauf von Krugfüllen und leeren oft genug durchlaufen wurde, die Gesichtsfarben röter werden und die Stimmen lauter, dann schlägt die Stunde des Anglerlateins. Dann hängen die jungen Fischer an den Lippen der alten und hören, welche Kaventsmänner schon aus der See gezogen wurden. Die meisten Geschichten waren schon oft erzählt worden, doch wie die Kinder konnten die jungen Fischer sie nicht oft genug hören. An diesem Abend setzte sich auch der Wirt zu der Runde.
Wie so häufig begann der ungeduldige Sven mit seiner Geschichte. „Drei Tage jagte ich den Schwarm. Und als ich das Netz raufholte, war es so schwer, dass Fäden rissen und die kleinen Fische wieder ins Meer zurückfielen. Nur einige große blieben im Netz. Von dem Fang konnten wir einen Monat leben.“
Der schmale Björn nahm einen tiefen Schluck aus seinem Humpen und wischte sich den Schaum von seinem dichten Bart mit den Handrücken ab. „Nach fünf Tagen auf See habe ich einen Fisch gefangen, der war so groß, dass meine Frau sechs Tage lang die Schuppen von ihm abschrubben musste, bevor wir ihn essen konnten.“
Die Fischer lachten. „Dass deine Alte nicht die Schnellste ist, wissen wir!“, sagte die rote Venja und knallte ihr Ischiglas auf den Tisch. „Nach sieben Tagen habe ich einen Fisch rausgezogen, der war von hier“, sie streckte ihre linke Hand so weit nach links, wie sie konnte, und zählte laut die Leute auf der Bank ab. „Eins, zwei, drei, vier, fünf. He, Firn! Streck deine rechte Hand so weit aus, wie es geht!“ Firn streckte seinen muskelbepackten Arm soweit er konnte. Es lagen etliche Meter zwischen Venjas und Firns Hand. Anerkennendes Raunen ging durch ihre Reihen. „So lang war der!“
Der dicke Torleif beugte sich vor und als er sprach, dröhnte sein Bass durch die Schankstube. „Nach zwei Wochen auf See fingen wir einen Burschen, der war so lang, dass er von seiner Schwanzflosse bis zum Maul gerade auf unsere Bank hier gepasst hätte. Und hier sitzen zwölf Fischer und Fischerinnen nebeneinander!“
Wieder ging ein Raunen durch den Raum. Doch sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. „Das ist noch gar nichts“, sagte er. „Ihr wisst, dass auch ich früher als Fischer zur See gefahren bin?“ Die älteren nickten. „Ist euch in all den Jahren aufgefallen, dass die Rückwand meiner Schenke gebogen ist und dass die Bank, auf der ihr sitzt, genau in diese Biegung passt?“ Alle Köpfe drehten sich, um nach der der gebogenen Wand hinter ihnen zu sehen und manche standen auf und begutachteten die gebogene Bank, die von Wand zu Wand reichte.
Als sich alle wieder beruhigt hatten, fuhr der Wirt fort. „Das ist deswegen so, weil der Dachbalken über euren Köpfen nicht aus dem Wald stammt von einem gerade gewachsenen Baum, sondern der Knochen eines Fisches ist, den wir zwei Monate im eisigen Nordmeer gejagt haben.“
Alle Köpfe ruckten nach oben und bestaunten ehrfurchtsvoll den bleichen Knochen, der das Dach trug und dem die Biegung der Wand folgte, vor der ihre Bank stand.
„Ha!“, sagte der dicke Torleif und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Das Rückgrat deines Fisches Wirt, ist genauso lang wie mein Fisch war. Es steht unentschieden.“
Der Wirt schüttelte den Kopf. „Das ist nicht das Rückgrat des Fisches. Was ich als Balken für meine Schenke verwendet habe, ist der linke Unterkiefer und auf der anderen Seite des Hauses ist der rechte Unterkiefer. Deswegen heißt meine Schenke auch ,Zum Fischmaul‘.“
Die Fischer und Fischerinnen grölten vor Lachen und bestellen alle noch mehrere Runden Bier und Ischgi, um die Geschichte des Wirtes zu feiern. So machte der Wirt an diesem Abend wieder einmal einen guten Fang.

Seite 2 von 2

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén