gewidmet all den wackeren Wagemutigen,
die sich Baron Friedrich von Ilmenau aus der Niederlormark
und Kapitän Jens-Hendrik Nilsson angeschlossen haben,
um gemeinsam neue Welten zu erforschen.
wir danken
Andreas Reicke
für die Kielholer-Geschichten
und allen Heligoniern,
die uns motivieren, kreativ zu sein
Alle weiteren Texte wurden geschrieben von
Inés Hermann
alle Bilder sind gezeichnet von
Marc Hermann
Idee und Layout
Inés und Marc Hermann
August 1999 zu Helicon Deluxe II
Koggenfahrt von Bremerhaven nach Helgoland
Knoten
Der Klabautermann
Der Klabautermann ist ein kleines, graues Männchen mit roten Pausbacken, hellen, gutmütigen Augen und kaum zwei Fuß hoch. Er wohnt auf Schiffen, ist ganz wie die Matrosen bekleidet und hat immer einen hölzernen Hammer in der Rechten. Er geht manchmal auch beim Bau des Schiffes zur Hand, das er später bewohnen will und hilft beim Kalfatern. Deshalb nennen ihn auch manche den Kalfatermann. Ist das Schiff auf See, so behütet er es vor Brand, Strandung und anderen Gefahren. Auch achtet er auf die Mannschaft, daß sie ihre Pflicht nicht versäumt. Nachts verrichtet er allerlei nützliche Arbeit, die eilig ist und mit der die Matrosen nicht so recht fertig werden. Am liebsten aber hilft er dem Zimmermann. Dafür erwartet er aber auch ein sehr gutes Essen, denn er ist ein Feinschmecker und ißt am liebsten die Speisen vom Kapitänstisch. Bei stürmischem Wetter steht er oben am Mast und erteilt gute Ratschläge. Doch wenn die Mannschaft nichts taugt oder wenn auf dem Schiff gar ein Verbrechen begangen wird, denn verläßt er es.
Einst war ein Steuermann aus Marola an Bord eines Schiffes, das im Hafen von Darbor vor Anker lag. Abends ging er auf Deck spazieren, um noch ein bißchen frische Luft zu schöpfen. Da entdeckte er am Ende des Schiffes ein kleines rotes Männchen und ein ähnliches auf dem nächstliegenden Schiff. Er wußte sogleich, daß dies Klabautermänner waren und hörte neugierig zu, als die beiden ein Gespräch begannen.
„Gehst Du mit in die Jolsee?“ fragte der auf dem anderen Schiff. „Nein“, antwortete der auf des Steuermanns Schiff, „ich bleibe hier im Hafen, denn dieses Schiff wird untergehen.“
Dem Steuermann erschien das sehr beängstigend. Er konnte die ganze Nacht kein Auge zutun. Am nächsten Morgen erzählte er dem Kapitän von seinem Erlebnis. Der aber lachte in nur aus, und die ganze Mannschaft lachte mit. Der Steuermann ließ sich jedoch nicht beirren, nahm Abschied von dem Schiff, das ihm unheimlich geworden war und suchte sich ein anderes.
Später dann erfuhr er, daß sein früheres Schiff mit der ganzen Besatzung in der Jolsee untergegangen war.
Vom weithin berühmten Kapitän Xurlsen Kielholer wird erzählt, daß auch auf seinem Schiff ein Klabautermann wohnt. Zum Bau des Mastes war Holz von einem Baum verwendet worden, der beim Niederstürzen den Holzfäller erschlagen hatte. Der Geist des Verunglückten fuhr nun als Klabautermann mit. Bei der Nacht konnte man ihn oft rumoren und arbeiten hören. Besonders eifrig war er am Werk, wenn eine Gefahr für das Schiff bevorstand, der es aber stets entging.
Ausgeburten des Schreckens
Schon seit jeher trachten die Menschen danach, die Meere zu beherrschen, aber in unergründlicher Tiefe hausen mächtige Wesen, die unter den Seefahrern Angst und Schrecken verbreiten.
Selbst die Küstengewässer bergen schon grausige Gefahren. Blitzschnell erfolgt der Überfall einer Seeschlange, die in den Höhlen der darianischen Steilküste nistet und nach vorbeifahrenden Schiffen ausspäht. Ehe die Opfer den Tod finden, sehen sie nur ein Krauseln im Wasser, einen schrecklichen Kopf, hoch über dem Mast, und ein hungrig aufgerissenes Maul, das gierig nach den Seeleuten schnappt.
Wehe den Ärmsten, die dem Leviathan begegneten. Diese gewaltige Bestie, neben der selbst der größte Walfisch klein erscheint, hält sich meist in den Tiefen der Jolsee auf. Doch wenn der Hunger dieses Untier an die Oberfläche treibt, sind die Seeleute verloren. Die wenigen Überlebenden berichten, daß der Schwanz und die Flossen des Leviathan das Wasser zu wirbelnden Mahlströmen aufpeitscht, welche das ganze Schiff samt Besatzung in die kalte, helioslose Tiefe reißen.
Heimlich und leise dringt das vielarmige Untier mit seinen glitschigen, mit Saugnäpfen bewehrten Tentakeln bis ins Innere des Schiffes vor. Durch Luken und Bullaugen gleiten die Arme der Riesenkrake und tasten nach Fleisch. Die Krake pflegt ihre Opfer zu erdrücken, bevor sie diese in die Tiefe zieht und mit Haut und Haar verschlingt.
Ambrosia
ceridische Schutzpatronin der Seefahrt
Ambrosia war das Kind reicher und vornehmer Eltern in Ankur. Neben einer ganz hervorragenden Bildung war ihr schönster Schmuck ihre Unschuld. Mit 16 Jahren war sie schon so in Anmut und Lieblichkeit erblüht, daß der reichste Händler der Stadt mit Werbungen an sie herantrat. Doch all seine Bemühungen blieben umsonst, denn schon früh zeichnete sich Ambrosia durch Frömmigkeit und regen Tugendeifer aus. Hatte sie sich ja schon damals in inniger Liebe dem Ceridentum geweiht. So verwandelte sich die Liebe des Bewerbers zu Haß.
Des Nachts ward sie von ihm auf ein gen Jolsee auslaufendes Schiff verschleppt worden. Im Dunkeln des Frachtraumes gebunden und nur bei Wasser und Brot verköstigt fristete sie ihr Dasein, bis die Jolsee erreicht ward. Der Kapitän, ein unbarmherziger und grausamer Schinder, stieg zu ihr hinab, um sie in ihrer Keuschheit zu demütigen. Doch plötzlich braute sich ein fürchterlicher Sturm zusammen, der das Schiff arg beutelte. Mächtige Wellen türmten sich auf, bis schließlich der Mast brach.
Ambrosia, die sich befreien konnte, stürzte sich von dem unglückseligen Schiff. Fest an eine Planke geklammert trieb sie in den tosenden Wellen der kochenden See.
In ihrem großen Glaubenseifer stimmte sie ein Lied aus dem Hilarium an. Und siehe da, der Eine hatte sie erhört. Um sie herum glätteten sich die Wogen, doch das Schiff drohte ob des weiterhin wütenden Sturmes zu kentern. Die Seeleute wurden des Wunders gewahr und eilten sich, Ambrosia wieder an Bord zu holen, die immer noch fortwährend Bittgesänge und Lobpreisungen gen Himmel warf. Ergriffen von dieser Heiligkeit sanken auch die Seeleute auf die Knie und fielen in die Gebete mit ein. Alsbald wurde das Schiff an das rettende Ufer getragen, ohne daß auch nur ein Mann ums Leben kam.
So gelang es Ambrosia, die Besatzung des Schiffes in den Schoß der allein selig machenden, ceridischen Kirche zu führen. Selbst der rohe Kapitän ward von nun an geläutert. Dabei war er streng gegen sich selbst und legte seinem Körper schwere Bußen auf.
Seit diesen Ereignissen gilt Ambrosia als die Schutzpatronin aller ceridischen Seefahrer. Im Jahre 27 n.d.E. wurde ihr zu Ehren eine Statue im Hafen von Ankur errichtet.
Auszug aus dem Werk seiner Heiligkeit Vastus II. „Lebensbilder der großen Heiligen“
Kreaturen von Anmut und Schönheit
Delphine
Es begab sich aber, daß Gwon zu Helios hinaufflog. Der Falke erklärte ihm, daß er nicht in die Tiefen der Meere und Seen hinabtauchen kann, um die Seelen der Ertrunkenen und zu Wasser Bestatteten heraufholen kann, um sie an Helios’ Seite zu geleiten. Da sprach Helios mit seinem Sohn, dem Herrn der Gewässer. Xurl verbeugte sich vor seinem Vater und bat die Delphine um Hilfe. Diese aber waren wendig und schnell im Wasser, darüberhinaus sehr gelehrsam. Fortan führten sie die Seelen an die Oberflächen der Gewässer, um sie dort der Obhut Gwons zu übergeben. Doch eine wunderbare Fügung ergab, daß die Delphine, die die Hilferufe der Ertrinkenden unter Wasser zu verstehen begannen, diese auf ihrem Rücken ans rettende Ufer zu tragen.
Aus der ogedischen Schöpfungsgeschichte
Seepferde oder Wasserpferde
Verwegene Abenteurer, welche die unendlichen Weiten der Jolsee bereisten, berichteten vom Anblick dieser merkwürdigen Tiere. Ein fischschwänziges Roß, das erhobenen Hauptes auf den Wogen reitet. Mancher Seemann behauptet sogar, daß dies die Reittiere der Redonskinder seien, welche in den Tiefen der Meere hausen. Den Menschen gegenüber verhalten sie sich überaus scheu. Bisher sei es nur dem Piraten Robar Knochensack gelungen, ein Seepferd zu fangen. Doch das rauhe Seil, mit dem er das Tier zu zähmen versuchte, riß dessen feine Schuppenhaut auf. Das bläulich-grüne Wasserwesen soll an den Wunden verendet sein, doch Robar soll das Tier präpariert haben, um es zu seiner Augenweide in seiner Kajüte aufzustellen.
Redon
ogedischer Schutzpatron der Seefahrt
Sternbild: der Anker
Es begab sich vor langer Zeit, daß an der Küste des ehemaligen Herzogtums Valmera ein junges Mädchen namens Dellana lebte. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie mit der Fischerei. Als Dellana wieder einmal mit ihrem Boot auf die Jolsee hinaus fuhr, sang sie ein Lied. Dies hörte der Gott Xurl und war von dem Klang ihrer Stimme bezaubert. Er nahm Menschengestalt an und stieg zu ihr ins Boot. Xurl gestand Dellana seine Zuneigung, die von ihr erwidert wurde. Fort an trafen sie sich regelmäßig und schon bald trug Dellana ein Kind unter ihrem Herzen. Xurl war darüber sehr erfreut, als Dellana ihm einen Sohn gebar, den sie Redon nannten. Der Gott besuchte die beiden regelmäßig, und in den Jahren darauf unternahm er viele Ausflüge mit seinem Sohn auf das Meer hinaus. Xurl verlieh ihm die Gabe, sowohl an Land als auch unter Wasser leben zu können. Auf einer ihrer Reisen durch die Jolsee beobachteten die beiden, wie Fischer ihre Netze auswarfen und einen Schwarm Jolfische fingen. Diese Fischer jedoch fingen nicht nur die Fische, die sie benötigten, um sich und die ihren zu ernähren, sondern zogen wahllos alle Fische an Land und warfen die kleinen wieder tot ins Meer zurück. Diese Maßlosigkeit erzürnte Xurl und Redon, und sie bestraften die Fischer damit, daß ihnen fortan keine Fische mehr ins Netz gingen. Dies hätte für die Fischer der Hungertod bedeutet. So hatte Redon Mitleid und sprach mit ihnen. Sie baten um Verzeihung und versprachen, von nun an nie wieder unmäßig zu sein. Redon legte bei seinem Vater ein gutes Wort für die Fischer ein und er hob die Bestrafung auf. Seit dieser Zeit spricht jeder Fischer, bevor er sein Netz auswirft, ein Dankgebet zu Redon.
Keiner weiß wirklich, was aus Redon geworden ist, aber es gab immer wieder Fischer, die behaupteten, ihn gesehen zu haben, wie er aus der Jolsee auftaucht, die Menschen beim Fischen beobachtet und wieder in den Fluten verschwindet. Einige Mythen berichten von Neckern und Nixen, die am Grunde des Meeres leben sollen und die Nachkommen von Redon sind.
Freibeuter der Meere
Zwischen Darbor und Al-Safani liegt der Küste vorgelagert eine Inselkette: das Kurihadi-Atoll. Zahlreiche kleinere Inseln erheben sich aus der Jolsee. Diese gelten als Stützpunkte der berüchtigten Jolsee-Piraten. Auf den Klippen der größten Insel Pagar befindet sich eine Zitadelle. Dort regiert zur Zeit der selbsternannte König der Seeräuber, Renzo, der Blutrünstige. Der strenge und grausame Despot versammelt ehemalige Sklaven und flüchtige Verbrecher, wie auch verwegene Abenteurer unter sich, die weder Tod noch Zyberus fürchten. Seine Vorgängerin, die Schwarze Kilikia wurde im Jahre 20 n.A.III vom darianischen Grafen Dedekien während eines Beutezuges gefaßt und verweilt seither im Kerker von Darbor. Dennoch ist der Ruf, der den Piraten vorausgeht, sie würden Mann und Maus auf den Schiffen töten, maßlos übertrieben. Meistens wird die Mannschaft auf den Beibooten in die Freiheit entlassen, um so nach ihrer Errettung von der Gefährlichkeit der Seeräuber zu berichten. Die Beute wird nach Pagar geschafft und dort unter Renzos Aufsicht geteilt, der auch das Recht hat sich die schönsten Stücke auszuwählen. Zwar wird der Raub unter den Piraten mit dem Tod bestraft, aber dennoch mißtraut jeder dem anderen und so wird der Anteil der Beute immer gut versteckt.
Zahlreich echte und gefälschte Karten über den Verbleib eines Seeräuberschatzes sind im Umlauf. Verwegene Abenteurer suchen oft jahrelang die Küste und die Inseln nach der vergessenen oder versteckten Beute eines Piraten ab. Auch der Schatz der Schwarzen Kilikia ist bis heute noch nicht geborgen und man munkelt, daß der Graf sie nur deshalb am Leben läßt, weil er hofft, daß sie irgendwann verraten wird, wo sie ihre Beute versteckt hält. Die Loyalität des Piraten gilt einzig seinem Kapitän und dem jeweiligen Piratenkönig. Für andere Menschen gelten sie als blutrünstig, geldgierig, rauflustig, trinkfest und arbeitsscheu. Dies trifft auch im Wesentlichen zu, dennoch sollte man beachten, daß es unter den Piraten absolute Gleichberechtigung herrscht. Jedes Mitglied, ob männlich oder weiblich verfügt über die gleichen Rechte und jeder bekommt den gleichen Teil der Beute zugesprochen. Hingegen ihrer sonstigen Lebensweise herrscht an Bord eines Piratenschiffes eiserne Disziplin, was auch für den Erfolg eines Beutezuges wichtig ist.
Da die Piraten von Al-Safani eher häuslich sind und ihren Lebensunterhalt in erster Linie mit ”Treibgut” bestreiten, werden sie von den Jolsee-Piraten verhöhnt und verachtet. Doch das war nicht zu allen Zeiten so. Noch vor fünfzig Jahren bildeten die Piraten von Al-Safani und die der Jolsee eine gefährliche Gemeinschaft. Graf Cersan, dem Vater von Graf Dedekien gelang es, die Bewohner von Al-Safani davon zu überzeugen, daß es für sie günstiger ist, der gräflichen Obrigkeit gelegentliche Dienste zu erweisen und somit der Verfolgung zu entkommen.
Verschollener Reichtum
Berühmte Schätze berüchtigter Freibeuter
Für einen Seemann ist es stets wichtig, darauf zu achten, nicht den Piraten in die Hände zu fallen. Dennoch treibt die Gier nach deren sagenumwobenen Schätzen so manchen Kapitän in sein Unglück. Denn zu verlockend ist die Geschichte des jungen Seefahrers Hein Peersen. Dieser war der einzige Überlebende der „Seepocke“, welche im Kurihadi-Atoll an einem Riff zerschellte. Hein konnte sich auf eine kleine Insel retten. In einer Höhle, in welcher er vor dem tosenden Sturm Schutz suchte, stolperte er über einen Griff, der aus dem Sand ragte. Er entdeckte, daß der Griff zu einer vergrabenen Truhe gehörte. Als er die Truhe freigelegt hatte, staunte er nicht schlecht, denn diese war bis zum Rand gefüllt mit Aurazithdukaten, Edelsteinen und Geschmeide. Als reicher Mann kehrte er nach Hause zurück. Sein Schicksal ist noch heute Wunsch aller Seefahrer und Glücksritter.
„Ich schreibe dies nicht, weil ich meine Taten entschuldigen will. Ohne Zweifel gab es unter uns die gemeinsten Halsabschneider und Halunken, die eine Zierde für jeden Galgen gewesen wären. Die meisten aber sind viel zu einfältig, um wirklich böse zu sein. Sie sind von gedankenloser Grausamkeit und zugleich von rührender Treue und Hilfsbereitschaft. Manche von ihnen sind nach einem guten Beutezug brave Handwerker und Bauern geworden. Nur ungerne ließ ich den einen oder anderen zweifellos tüchtigen Seefahrer ziehen, der dann blutige Söldnerdienste für einen hohen Herrn annahm. Wer verwundet wurde, konnte mit einer guten Abfindung rechnen. Der Wirt so mancher Taverne hinkt zwar nur noch mit einem Bein oder gar einer Augenklappe hinter der Theke, doch erst die Piraterie hat ihm sein Einkommen im Alter gesichert.
Ich habe viele Fahrten mit guten und schlechten Kapitänen gemacht, ja sogar unter Yorge Raffzahn. Sein Name ist noch heute, viele Jahre nach seinem Tode, in aller Munde. So mancher tollkühner, dreister Überfall fand unter seinem Kommando statt. Wo er jedoch seine Beute versteckte ist bis heute ein gut gehütetes Geheimnis. So soll es auch mit meinen Schätzen sein. Ich selbst werde nichts mit nehmen können, doch soll auch kein Lebender sich meines Reichtums erfreuen können, wenn ich es auch nicht kann.
Ja, da hat es der einarmige Nille Schwarzhaken schon schlauer angestellt. Er verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in seinem Palast, sogar der Graf steckte mit ihm unter einer Decke. Mit offenen Armen wurde er im Herrscherhaus in Darbor empfangen. Wahrscheinlich hatte der alte Halunke zuerst mal seine Truhen öffnen müssen. Doch war immer noch genug da, um ein Leben in Saus und Braus zu führen, während sonst alle von uns ein schreckliches Ende nahmen. Selbst Vestia, die flinke Sichelklinge, die vom Baron von Felsenmeer gefangen genommen wurde. Ihr Leben hat er ihr nur gelassen, weil sie für ihn an der Küste vor Al-Safani für Ruhe und Ordnung gesorgt hatte. Doch letztendlich fand auch sie einen gräßlichen Tod. Weil sie das Versteck ihrer Schätze nicht preisgeben wollte, wurde sie von ihren ehemaligen Spießgesellen gefoltert und schließlich, ohne daß sie auch nur den geringsten Hinweis über den Verbleib ihres Reichtums preisgab, erschlagen.
Den Beutel, der diesem Briefe beigefügt ist, nehmt an Euch und verwendet die Dukaten, um die Not unter den Armen zu lindern. Ein paar Groschen jedoch gebt dem Wirt der Taverne „Zum Faß ohne Boden“, damit dieser in seiner Kneipe noch einmal die Humpen in meinem Namen kreisen lassen kann. Es soll dann ein letztes Mal auf mein Wohl getrunken werden.“
Abschiedsbrief des Piratenkönigs Todje Windriecher, der im Jahre 10 n.A.III in Darbor hingerichtet wurde, bestimmt für einen Xurlpriester
Käpt’n Kielholer
Ein Mann gegen den Ozean
– Folge Nr. 3245: Kurs Südsüdost
…Kielholer ergriff die Meerjungfrau, zog sie an sich und küßte sie leidenschaftlich. Währenddessen gelang es ihm immer noch mit seinem Entermesser die zahllos über Deck heranstürmenden Feinde abzuwehren. Schon stapelten sich hunderte von blutigen, geschuppten Leibern um das Liebespaar. Ab und zu brüllte der alte Seebär einen Befehl, um das Schiff auf dem richtigen Kurs zu halten. Aber irgendwann verlor Kielholer die Geduld und stürzte sich wie ein Berserker unter die grausigen Wasserwesen, die er über Bord trieb und in die eisigen Tiefen zurückwarf, aus denen sie gekommen waren. „Bei Xurls Harnschlag, ihr verdammten Fischköppe! Schon seit zehn Jahren verfolgt ihr mich über die ganze Weltenschale! Heute soll das verdammt noch mal ein Ende haben! Alle Mann auf Gefechtsstation! Wir lösen dieses Problem wie Ostarier, schnell und gründlich!“ Sofort begann das Meer zu kochen unter der Hitze, die von hunderten von Brennenden Geschossen erzeugt wurde. Die Folge waren tausende von verstümmelten Fischleibern, die langsam an der Meeresoberfläche erschienen.“Jetzt ist aber Ruhe!“ brüllte Kielholer. Während die Mannschft sich schon dem Schädelspalter widmen wollte und Kielholer der Tochter des Meerkönigs einen weiteren stürmischen Kuß gab, passierte das unfaßbare…
Die Piratenkunst des Enterns
„Die piratische Angriffstaktik ist wohl bedacht und hundertfach erprobt. Das kleinere, wendige Schiff folgt dem größeren im Kielwasser. Es hält sich genau hinter seinem Heck und es erfordert die gespannteste Aufmerksamkeit des besten Rudergängers, jede Bewegung des Verfolgten sofort zu erspüren und sie zu parieren. Denn gelingt dem Gejagten eine rasche Wendung, kann eine gutliegende Breitseite dem Jäger gefährlich werden. So aber, dem Heck aus, ist nicht viel zu befürchten.
Sind wir erst nahe genug heran, gibt es kein Entkommen. Unser wildes Gebrüll, die schwarze Flagge und die Erinnerung an Ereignisse, wo wir bei Widerstand alles niedergemacht haben, wirkt oft lähmend auf die Verteidiger. Bei rechtzeitiger Übergabe haben wir immer milde gehaust. Welch ein Anblick, wenn dann unsere Enterhaken und Leinen fliegen. Deftige Holzkeile werden zwischen Ruder und Steven getrieben, um so die Opfer manövrierunfähig zu machen. Schon klettern die ersten unserer verwegenen Kerle an den Enterleinen und Gesimsen empor, gierig die Belohnung einzuheimsen, die dem winkt, der als erster an Bord sprang. Das Doppelte gibt es für denjenigen, der die Flagge niederholt.“
Eintrag des gefürchteten Piratenkapitän Knochensack, Vater der Schwarzen Kilikia, den im Jahre 10 n.A.III der harte Schanker dahinraffte
Käpt’n Kielholer
Ein Mann gegen den Ozean
– Folge 7b: Anker lichten!!
…Wir erinnern uns: Trotz all seiner Bemühungen und nautischer Professionalität war Kapitän Xurlsen Kielholers Schiff vom tödlichen Mahlstrom der Kalugasee erfaßt worden und wurde jetzt unbarmherzig von diesem schrecklichen Fluch der Götter angezogen. Kein Entkommen war möglich! Aus und vorbei! Oder doch nicht? Sollte dieser Anschlag des Schicksals auf das Leben des größten Helden der Ozeane zuletzt an seinem sprichwörtlichen Glück scheitern? Zu der Weise, wie er entkam, wollen wir uns aus Rücksicht auf die Privatsphäre des Kapitäns nicht äußern, gesagt sei nur, daß dabei folgende Gegenstände zum Einsatz kamen: Kohlsuppe, eine Flasche Schädelspalter, das PERGAMENT, 1 junger Garstbock, 1 Eßlöffel Jolfischöl, eine wirklich sehr große Frucht und der Topf, den der Smutje nur sehr ungern für Experimente zur Verfügung stellte. Spätestens seit diesem Tag war auch dem Rest der Welt klar: Es wäre ein gewaltiger Fehler, die Ostarische Küche zu unterschätzen! „Anker lichten!“, rief Joost Van Goov, nachdem die Männer ihre Klingen von dem Lebenssaft der blutrünstigen Attikattiwuh-Seeräuber gereinigt hatten. Nur nooch die Trümmer ihrer neunundvierzig Schiffe zeugten von dem zurückliegenden Gemetzel, und die Pfeilschnell fuhr gemächlich dem Sonnenuntergang entgegen. …
Käpt’n Kielholer
Ein Mann gegen den Ozean
– Folge 1038: Im Nebel
…“In dieser verdammten Suppe kann man ja seine eigene Hand vor Augen nicht mehr sehen!“ Kapitän Kielholer haderte mit dem Schicksal, welches ihn und sein Schiff in die undurchdringlichen Nebelbänke vor der Küste von Ischnadhar geführt hatte. Zu allem Überdruß herrschte jetzt seit zehn Tagen absolute Flaute. Seit gestern gab es nur noch halbe Schnapsrationen. Das einzige was da noch helfen konnte war eine kurze Werbeunterbrechung:
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„Wärst du eine Abonnentin des PERGAMENTS, hätte vielleicht etwas aus uns werden können.“ dachte Xurlsen Kielholer, während er die schöne Tochter des Gouverneurs betrachtete, die dort neben ihm lag und friedlich schlummerte. „Nun muß ich dich leider im Interesse der weiblichen Leserschaft des PERGAMENTS verlassen.“ Kapitän Kielholer hauchte der Dame noch einen Handkuß zu, erhob sich, schwang sich elegant durchs Fenster und kletterte geschwind die zweihundert Schritt hohe Felswand hinab, an deren Fuß die Pfeilschnell wartete, wo die Mannschaft gerade das neue PERGAMENT laß, dann aber schnell den Anker lichtete.
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Nachdem sich der Nebel verzogen hatte und der Wind aufgefrischt hatte, fuhr man frohen Mutes dem Sonnenuntergang entgegen. …
Käpt’n Kielholer
Ein Mann gegen den Ozean
Folge 123: Segel am Horizont
…Fünf Wochen lang kreuzte die Pfeilschnell jetzt schon vor Puerto de la Cruz, um allen Schurken den Garaus zu machen, welche versuchten, die von Seiner Allerheligonischsten Majestät über alle Kolonialhäfen Friedlands verhängte Seeblockade zu durchbrechen. Bisher hatte es keiner gewagt, sich dem größten aller Seehelden zu stellen. Darum war Leutnant Van Goov nicht minder überrascht als der Ausguck „Hart voraus ein Segel!“ rief. Schnell erstattete der unglaublich gut aussehende junge Mann Bericht beim Kapitän. „Sir, ein Friedländer versucht durchzubrechen, es ist die Edmoond de la Cruz CVII.“ Nun war also endlich die Zeit zum Handeln gekommen! „Van Goov, lassen Sie sofort das Schiff gefechtsklar machen, diesen Sitzpinklern, werden wir zeigen, wie der Meeresspiegel von unten aussieht!“ rief Xurlsen Kielholer, und sogleich nahm die Pfeilschnell die Verfolgung auf. Dank der überragenden nautischen Fertigkeiten Kapitän Kielholers gelang es im Nu, den Gegner auszumanövrieren und ihn bewegungsunfähig zu schießen, während der Kapitän in aller Ruhe ein Pfeifchen schmauchte. Sodann zog er sein Entermesser und sprang auf’s Deck des Gegners, so daß er direkt vor dem friedländischen Kommandanten aufsetzte. „Meinen Namen brauche ich wohl nicht zu erwähnen, mit wem habe ich die Ehre?“ rief Kielholer, worauf sofort die Antwort kam: „Vor Euch steht Alfonso Gonzalez Diego y Alvarez di Pomades ay Maracujaz, Vizeadmiral der Kolonialflotte seiner Allerdurchlauchtigsten Eminenz, Großgraf von Edmondistan, Kronverweser von Wolframsburg, Träger des Allerhöchsten Erzordensbandes, Ritter des…“. „Dieser Trick funktionert bei Friedländern doch immer wieder!“, dachte Käpt’n Kielholer, während er genüßlich seine edle Klinge vom Blut seines Gegners reinigte. „Meine Herren, das läßt uns reichlich Zeit für eine Partie Darok!“. …
Der Spiegelsextant
Der Sextant ist ein Behelfsmittel, um den Kurs eines Schiffes anhand der Gestirne zu bestimmen. Durch das drehbare Fernrohr blickt man in den halbdurch-sichtigen Spiegel. Die Spiegelseite reflektiert das Abbild des einen Gestirns, durch die durchsichtige Seite peilt man das andere Gestirn oder den Horizont an. ist die alhidade richtig eingestellt, so zeigt der nonius den Winkel zwischen den Gestirnen. Daraus kann dann der erfahrene Seemann die Position des Schiffes errechnen.
Seemannsbegriffe
- Backbord, linke Schiffsseite (vom Heck aus gesehen).
- Steuerbord, rechte Schiffsseite (vom Heck aus gesehen).
- Luv, die dem Wind zugekehrte Seite eines Schiffes, Segels o.ä.
- Lee, die dem Wind abgewandte Seite.
- Heck, hinterer Teil des Schiffes
- Bug, vorderer Teil des Schiffes
- Knoten, Einheit für die Geschwindigkeit von Schiffen, 1 kn = 1
- Seemeile/Std. = 1,852 km/h.
- Kogge, Typ des Handelssegelschiffs mit besonders bauchigem Rumpf; vor allem bei der Hanse.
- Seemeile, 1 SM= 1,852 km.
- Mast, aufrecht aus dem Deck ragender Teil eines Schiffes aus Rundholz, auf größeren Segelschiffen aus mehreren Teilen (Unter-Mast, Mars-, Bramstenge); in der Reihenfolge von vorn nach achtern bezeichnet als Fock-, Groß-, Mittel-, Haupt-, Kreuz- oder Besanmast.
- Krähennest, Ausguck am Vordermast.
- Boot, ein offenes, teilweise oder ganz gedecktes, kleineres Wasserfahrzeug (Länge bis etwa 20m).
- Bootsmann, auf Handelsschiffen das für den Deckbereich verantwortliche seemännische Besatzungsmitglied.
- Kaperei, nach Völkerrecht die einer Privatperson im Kriegsfall durch einen der kriegführenden Länder erteilte Befugnis zur Kriegführung gegen feindliche Handelsschiffe.
- Kapitän, Führer eines Handelsschiffes
- Messe, auf größeren Schiffen Speise- und Aufenthaltsraum der Offiziere und Mannschaften; auch: Tischgesellschaft von Offizieren und Mannschaften.
- Koje, kastenartiges, eingebautes Bett auf Schiffen; auch Verschlag zum Aufbewahren, zum Beispiel von Segeln.
- Deck, Bezeichnung für den waagrechten Abschluß eines Schiffsrumpfes
- Segelschiff (Segler), großes, durch Windkraft getriebenes Wasserfahrzeug; Barken sind Dreimaster, deren hinterster Mast Gaffeltakelung hat. Schoner sind schrat- bzw. gaffelgetakelt.
- Drift, durch den Wind erzeugte Meeresströmung; unkontrolliertes Treiben eines Schiffes oder durch Strömung fortbewegtes Treibgut.
- Seegang, die durch Wind hervorgerufene Wellenbewegung der Meeresoberfläche
- Sextant, Gerät zur Messung von Winkelabständen zwischen Gestirnen und von Gestirnshöhen (Winkelabstände der Gestirne zum Horizont). Wird auf See zur astronomischen Ortsbestimmung verwendet.
- Gezeiten, Die Gezeiten des Meeres (Tiden) äußern sich besonders an den Küsten, zumeist als zweimal tägliches (im Abstand von etwa zwölfeinhalb Stunden) Ansteigen (= Flut) und Absinken (= Ebbe) des Meeresspiegels. Bei Neu- und Vollmond verstärken sich die Gezeiten zu kräftigen Springtiden. Bei Halbmond entstehen die besonders schwachen Nipptiden. Bei Niedrigwasser fallen seichte Teile von Randmeeren trocken (Watt). Der Tidenhub gibt den Höhenunterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser an. Er ist im offenen Ozean gering, in Buchten können 20m und mehr erreicht werden. Bei Flüssen wirken sich die Gezeiten von der Mündung landeinwärts aus.
- Gaffel, Rundholz in Längsrichtung am Schiffsmast; trägt das Gaffelsegel
- Schratsegel, Sammelbegriff für alle in Ruhestellung längsschiffs stehenden Segel wie Stagsegel, Gaffelsegel und Hochsegel.
- Fock, unterstes Rahsegel am Fockmast eines Segelschiffes
- Rah (Raa), querschiffs waagerecht am Mast eines Schiffes beweglich angebrachtes Rundholz zum Tragen der Rahsegel.
- Ruder, Steuerorgan eines Schiffes oder Bootes, üblicherweise ein am Heck (Heckruder) angeordneter, an einem vertikalen Ruderschaft befestigter und durch diesen nach beiden Seiten drehbarer blattartiger Körper
- Steven, Bauteil, das den Schiffskörper vorn (Vorder-Seite) und hinten (Achter-Seite) abschließt.
- Kombüse, seemännische Bezeichnung für die Schiffsküche.
- Takelung, die Anordnung der Masten und Rahen und die Art der Besegelung
- Anker, schweres, hakenförmiges Gebilde aus Eisen, das zusammen mit der Ankerkette das Schiff am Meeresgrund festhält
- Galeone, Segelkriegsschiff
- Galeere, flachgehendes Ruderkriegsschiff
- Matrose, für den Decksdienst ausgebildeter Seemann
- Meuterei, Gehorsamsverweigerung gegenüber dem Kapitän oder dem Ranghöchsten auf dem Schiff; wird mit Kielholen bestraft.