Publikation: Helios-Bote Seite 32 von 34

Tod einer Arazsla

Um die Gedankenwelt und Vorstellungen, die Verhaltensweisen und Prioritäten eines Volkes zu verstehen, ist ein Blick auf seine Religion sicher interessant und hilfreich. Als ich als gläubige Ogedin durch die Arazsla Atma in die Sippe der Lotrac vom Stamm der Lenmeri aufgenommen wurde, war ich gespannt und neugierig, mehr über den Glauben der Borharcôner zu erfahren.
Ihr Schüler Kemren hatte mir damals angedroht, was jenen passieren könne, die nicht dem Ruf eines Arzsluk folgen. So war ich froh, dass mich Atmas Traumbote ereilte, als ich mich bereits auf dem Weg nach Gösta befand, um dort erstmals am großen Stammestreffen teilzunehmen. Dieses wurde jedoch aufgrund von Überschwemmungen abgesagt, und so traf ich mich mit meiner neuen Sippe in der mir bereits bekannten Siedlung Orlatas.
Die Ereignisse dort, die zum Bruch des Waffenstillstandes führten, sollen an anderer Stelle berichtet werden, hier stehe der Glaube der Borharcôner im Vordergrund.

Der größte Unterschied zu unserer Religion ist wohl, dass die Borharcôner an die Wiedergeburt glauben, wenn es auch nicht so einfach ist, wie es klingt. Bei den Ogeden gelangt die Seele nach dem Tod bekanntermaßen zu Helios, der über sie urteilt. Je nachdem erhält sie einen Platz als Stern am Himmel, in Poenas Garten oder an Saarkas Kriegertafel. Im schlimmsten Falle wird sie vom Untier Zyberus verschlungen. Wie auch immer, so scheint es doch, dass die Verstorbenen nach ihrem Tod kaum mehr Interesse an der Welt der Lebenden zeigen.
Ganz im Gegensatz dazu teilt sich der Geist der Borharcôner in drei Teile auf, von denen einer als Ahnengeist zurückbleibt und weiterhin am Leben seiner Sippe teilnimmt. Diese Taal-Seele kann von den Schamanen, genannt Arazslaken, gerufen und um Hilfe gebeten werden. Berühmte Ahnen haben entsprechend Macht und werden hoch verehrt, sie können in Gegenständen und Erinnerungsstücken wohnen.
Die zweite Seele ist für das Leben an sich, Atmung, Herzschlag, Wärme und dergleichen zuständig, das, was bei uns auch scherzhaft „Lebensgeister“ genannt wird. Diese Amnu-Seele fliegt beim Tod in den Weltenbaum und wartet dort auf die Wiedergeburt, um einen neuen Körper zu beleben.
Die dritte, die Sal-Seele beherbergt die eigentliche Persönlichkeit. Die Sal-Seele bildet mit einer Amnu-Seele eine neue Einheit, eine weitere Taal-Seele entsteht, und der Borharcôner-Geist ist wieder vollkommen. Angeblich können sich die Sal-Seelen an ihre vorigen Leben erinnern. Ich habe jedoch noch keinen Borharcôner getroffen, der mir entsprechende Erlebnisse erzählt hätte.
Außerdem, um die Sache noch verwirrender zu machen, besitzen die Arazslaken eine vierte Seele, die sie bei ihrem Tod an ihren Nachfolger weitergeben, was ich eindrucksvoll erleben konnte.
Ich begegnete selbst auch einem Wesen, das ein uraltes Artefakt hütete, aber keinesfalls ein lebendiger Mensch war. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es sich dabei um einen Ahnengeist oder eine Sal-Seele in menschlicher Gestalt handelte, sie hatte jedenfalls viel Persönlichkeit.

Die Welt stellen sich die Borharcôner in drei Teilen vor, der Ober-, der Unter- und der Mittelwelt, in selbiger wir uns befinden. Ober- und Unterwelt sind dabei in je sieben Ebenen aufgeteilt. Je weiter man sich von der Mittelwelt entfernt, um so weniger ähneln die Ebenen unserem Diesseits. Konkret konnte ich nur erfahren, dass sich in der siebten Ebene der Unterwelt die Yurtenstadt befindet, in der die verlorenen Seelen hausen, die der „Schwarzen Mutter“ dienen. Den Arazslaken ist es möglich, mit Hilfe von Tiergeistern die Ebenen zu bereisen. Zusammengehalten werden all diese Ebenen durch den Weltenbaum, den man sich als eine Art Nabel oder Achse vorstellt.
Da der Ogedische Glaube das Reich der Götter, Saarkas Unterwelt, und das Hochland auch noch eine „Anderswelt“ kennt, ist die Borharcônische Vorstellung von Ebenen vielleicht gar nicht so fremdartig, wie man zunächst meint.

An Göttern wurden mir bekannt:
Andruch, der Himmelsgott – der mächtigste Geist, der auch das Schicksal der Menschen beeinflußt
Akemrin, die Erdmutter – zuständig für alles Leben, gut mit Poena vergleichbar
Liomne, deren Tochter – Hüterin des (Herd-)Feuers, ihr Rauch symbolisiert den Weltenbaum
Yom, weitere Tochter – Schutzherrin der Schwangeren, sie hütet die Seelen bis zur Wiedergeburt
Ayek, die Schwarze Mutter – Gegenspielerin Yoms, will die Mittelwelt, also unsere, beherrschen und muß daran gehindert werden
Nagy (w.) und Agy (m.), Sonne und Mond – sie gelten als die ersten Ahnen und werden gern in Dingen des Alltags angerufen
Darüber hinaus scheint es noch eine Vielzahl weiterer Götter, Ahnengeister, Stammes- und Sippengeister, gute wie böse zu geben. Ihre Wohnstätten sind in den verschiedensten Ebenen sind wenigstens den Arazslaken wohlbekannt.

Die Borharcôner verehren ihre Götter durch Rituale und Opfergaben wie Tee, Milch oder auch Tieropfer, bevorzugt an außergewöhnlichen Orten wie einem Berg, See oder Felsen. Auch darin wieder eine Ähnlichkeit zu Ogedischen Schreinen, die gerne bei Quellen oder alten Bäumen errichtet werden.
Die Aufgabe der Arazslaken besteht nun nicht darin, diese Opfer zu vermitteln, sondern das Gleichgewicht der Welten zu sichern, auch sind sie als Heiler tätig. Ihre Fähigkeit, zwischen den Ebenen zu reisen, hilft ihnen dabei. Die Krankheiten des Menschen werden durch ein Ungleichgewicht der einzelnen Seelen erklärt.
Außerdem scheint es sowohl Weiße als auch Schwarze Arazslaken zu geben. Erstere wirken zum Wohle der Menschen und der Welten, letztere verfolgen ihre eigenen Wege und richten oftmals viel Unheil an.

Atma, die Arazsla, die ich näher kennenlernen durfte, rief mich also mit Hilfe eines Traums zu sich, so wie die anderen Mitglieder ihrer Sippe. An ihrem Lager sprach sie mit jedem einzelnen, verteilte Aufgaben und nahm gleichzeitig Abschied. Sie sprach zu mir über ihre Sorgen und dunklen Vorahnungen und stellte mir Fragen zu unserem Glauben. Als ich ihr sagte, unsere Toten würden Sterne am Himmel werden, lachte sie und meinte, das wäre zwar eine schöne Vorstellung, aber viel zu weit weg von ihren Lieben. Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse war sie in großer Sorge, uns nicht mehr helfen zu können. Am nächsten Vormittag waren wir in ihrer Yurte versammelt und begleiteten sie in ihrer letzten Stunde. Sie gab uns bis zuletzt Ratschläge und tröstende Worte, und jeder der Anwesenden würde ihren Tod dort bezeugen. Zu aller Überraschung und auch dem Entsetzen mancher richtete sich die Tote aber nach einiger Zeit wieder auf, betrachtete ihre Hände und sagte „Ich habe den Tod überlistet“, wobei sie selbst am meisten erstaunt schien. Was auch immer passiert ist, Atma wurden noch mehrere Stunden Lebenszeit geschenkt, die wir aufgrund der Bedrohung der übernatürlichen Feinde gut gebrauchen konnten.
Letztendlich hatte ich den Eindruck dass diese Arazsla den Zeitpunkt ihres Todes sehr genau bestimmen konnte. So erwählte sie gegen Ende des Tages einen ganz bestimmten Platz „unter dem Himmel“ und ließ sich dort neben ihrem Nachfolger Kemren nieder. Sie verschenkte ihre Besitztümer, Amulette und mächtige Gegenstände, in denen Geister wohnten, an Kemren und die anderen Arazslaken, versammelte ihre Sippe um sich und schied stehend, mit einem gewaltigen Schrei aus dem Leben. Von allen Borharcônern wurde Atma als die Älteste und Weiseste unter ihnen bezeichnet, und ich bin dankbar, dass ich diese außergewöhnliche Frau ebenfalls kennenlernen durfte.

Das Licht im Walde

Gestattet mir zuerst mich vorzustellen: Bruder Videtus, Mitglied der
Gemeinschaft des Heiligen Hilarius zu Rodi in Hohenforingen unter Führung
unseres ehrwürdigen Vaters Einfried.

So lasst mich denn nun erzählen von den Dingen, die mir bei meiner Reise
widerfuhren: Ich kehrte gerade zurück von einer Reise zu verschiedenen
Abteien und Klöstern in Drachenhain, zu denen ich mit Grüßen, Anschreiben
und kleineren Aufträgen unseres ehrwürdigen Vaters aufgebrochen war. Erlaubt,
dass ich die Inhalte verschweige; weniger als um deren Heimlichkeit, sondern
vielmehr um den geneigten Leser nicht mit Einzelheiten des klösterlichen
Austausches zu ermüden.

Ich schiffte mich daher in Jolberg aus, um den Weg durch den finstern
Ehlerwald zu nehmen. Ich dankte den braven Schiffersleuten für ihre
Gastlichkeit und versprach, sie in meine Gebete einzuschliessen.
Wohl gäbe es den Kanal; aber zuerst wäre eine Fahrtgelegenheit auszumachen
und dann müsste ich immer noch ein Stück über den Emeransee, den Ilfur hinauf
und dort, wo er nicht mehr schiffbar ist, weiter über Land ziehen. Also
gedachte ich, den Weg auf ein gutes Maß abzuschneiden und die direkte Strecke
zu gehen. Sorgen machte ich mir keine: ich war ja nur ein Mönch auf
Wanderschaft, kein reicher Händler.

Ein gut Teil der Strecke war geschafft, und ich befand mich auf der Höhe von
Waldstedt, vielleicht noch zwei oder drei Wegstunden bis zum Waldrand. Es
dämmerte bereits, doch ich war frohgemut und hoffte auf eine Unterkunft in
einem Gehöfte oder einer der Holzfällerhütten, die es verschiedentlich in der
Nähe des Waldes gibt. Im Moment waren aber nur vereinzeltes Vogelgezwitscher
und ein Rascheln im Laub hie und da meine Begleiter.

Als ich ein Knacken von Ästen hörte, machte ich mir keine Gedanken, denn die
wilden Tiere meiden die Menschen und als armer Klosterbruder war ich
vermeintlich kein Ziel für Räuber. Doch ich sollte mich irren. Vor mir und
hinter mir tauchten plötzlich wilde und zerlumpte Gestalten auf. Sie hielten
dicke Knüttel in ihren rauhen Händen und schüttelten Sie drohend. Ich
stammelte, dass ich kein Geld besitze, doch der ungehobelte Anführer,
erkenntlich daran, dass er anstatt eines Knüttels ein rostiges Schwert hielt
und vor mich trat, beschimpfte mich als „fettes faules Klosterschwein“ (obwohl
ich eine normale Statur habe und meinen Pflichten im Alltag regelmäßig
nachkomme).

Die Burschen machten Anstalten, mich zu verprügeln und hoben ihre Knüttel;
die Schläge prasselten sogleich auf mich ein und ich glaubte meinem letzten
Stündlein entgegen zu sehen. Ich hob die Arme schützend über den Kopf.
Dann hörten sie nach vielleicht einem Dutzend Schlägen auf. Der Anführer
fragte wieder nach Geld und ich beteuerte, dass ich keinen Kreuzer bei mir
führte; dies entsprach auch der Wahrheit, da ich bei meiner Reise auf die
Mildtätigkeit der Leute und Gastlichkeit der Klöster und Gehöfte angewiesen
war. Darauf machte der Räuberhauptmann ein Zeichen und die Knüttel hoben sich
erneut.

Doch bevor diese abermals auf mich herunterdroschen, rief einer von ihnen laut.
Ich sah mich um und bemerkte von fern ein helles Licht nahen. War es
ein Reisender mit einer hellen Laterne? Oder gar eine Patrouille der
Ehlerwaldkavallerie? Auf jeden Fall liessen die Kerle von mir ab und
zerstreuten sich wie auf Geheiss im Wald, viel schneller als sie kurz zuvor
herausgekrochen kamen.

Ich stand still und sah das Licht weiter auf mich zu kommen. Nicht gelb oder
rot wie eine Laterne oder Fackel; nein – weiss und strahlend schien es mir.
Und als weder Baum noch Gebüsch zwischen uns stand, erkannte ich in diesem
Schein den Heiligen Adrian.

Ich fiel auf die Knie, wollte meinem überirdischen Retter danken; und doch
brachte ich keinen Ton heraus, sondern starrte nur. Da lächelte der Heilige
mild und legte mir seine Hand auf den Kopf. Sofort liessen meine Schmerzen
nach und die größten der blauen Flecke verschwanden. Schliesslich brachte
ich ein Gestammel des Dankes hervor. Bruder Adrian lächelte noch einmal,
drehte sich um und ging zwischen den Bäumen hindurch wieder tiefer in den
Wald.

Ich blickte noch lange seinem Leuchten hinterher. Doch dann, gestärkt durch
die Hand des Heiligen, gürtete ich mich und eilte auf den Waldrand zu. Nach
etwa zwei Stunden langte ich bei einer Holzfällerhütte an, deren Bewohner
mich gastlich aufnahmen. Als ich nach einem kurzen Mahl, das mir die
Holzfäller anboten und das aus Gerstengrütze bestand, meine Geschichte
erzählte, gafften mich die meisten nur staunend an. Einer aber nahm mich
beiseite, liess sich den Heiligen ausführlich beschreiben und vertraute mir
an, dass er diesen selbst schon einmal erblickt hatte, und dass Bruder Adrian
ihm den Weg gewiesen habe, als er zu tief in den Wald gegangen
war und von der Nacht überrascht wurde. Erstaunt fragte ich ihn, ob denn
noch andere diese Begegnung gehabt hätten; der Holzfäller aber schwieg.

Und nun will auch ich schweigen und euch Gelegenheit geben in euch zu gehen
und über die wundersamen Taten des großen Heiligen nachzudenken.

Neue Borngarter Fürstin unterwegs zur Herrscherbegegnung

Wie im letzten Boten berichtet, erhielt Borngart nach dem Ableben von Fürst Arndt II mit Ihrer Hochgeboren Fürstin Mysille von Borngart, Gemahlin von Baron Sihran von Tolens, eine vielversprechende Nachfolgerin. Die Unruhen in Borngart haben sich bereits in den letzten Monden sehr gelegt und das Volk wartet gespannt auf den Besuch der Fürstin im Nachbarkönigreich Heligonia, wo Seine allerdurchlauchtigste Majestät, König Aximistilius III zur Herrscherbegegnung eingeladen hat.
Die nächsten Monde werden also nicht nur spannend für das heligonische Inland, sondern auch für die benachbarten Gebiete im zerfallenen Königreich, das jenseits des Jolborn liegt.

Grafschaft Drachenhain dies sind deine Herrscher

… unlängst bereiste ich den hohen Norden unserer weitläufigen und schönen Grafschaft Drachenhain. Ich stieß auf die Baronie derer zu Tatzelfels. Neuer Lehensträger dieser reizvollen, aber leider recht armen Provinz ist Baron Leomar von Tatzelfels. Seine Hochgeboren ist das jüngste Mitglied unserer erlauchten, ehrwürdigen Herrscherschicht. Ebenso kurios und geheimnisvoll, wie er das Lehen erhielt, ist auch die Geschichte derer zu Drachenhain.
Das Licht der Welt erblickte Ihre Hochwohlgeboren in der kalten und unwirtlichen Grafschaft Drachenhain. Als jüngster Sproß des alten Haudegen Waldemar zu Drachenhain, auch scherzhaft Stiernacken genannt, der aus einem altehrwürdigem Hause stammt.

Graf Waldemars erster Sohn Wolfram schlug den klerikalen Weg ein und trägt jetzt den Ordensnamen Edmond de la Cruz, Ehrwürdiger Abt von Dunkelstein. Somit entsagte er dem väterlichen Thron, um alles Weltliche hinter sich zu lassen und sich ganz seiner Berufung hinzugeben. Um sein Lebensziel zu verwirklichen, verfolgt er alle Zweifler an der Existenz seines namenlosen Gottes mit unbarmherziger Härte.

Da Waldemars erstes Kind weiblichen Geschlechts ist und somit nach altem Recht von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, verschrieb sie sich den hehren Zielen der Wissenschaft.

So obliegt die Nachfolge dem jüngsten Sproß der ehrwürdigen Herrscherfamilie, Leomar…

Das Utzganspiel

Am Nachmittag des zweiten Tages trafen alle wieder auf der Wiese ein. Ich hatte bis dahin mit vielen Heimkehrern ein paar Worte gewechselt, Bekanntschaften geschlossen und manch interessante Geschichte erfahren. Nun bin ich kein großer Kenner des Utzganspiels, aber die Regeln sind mir vertraut, und ich habe schon einige wilde Kämpfe um die Socke oder – bei Traditionalisten – den Ring erlebt. Was ich nun aber zu sehen bekam, ließ mich nicht selten entsetzt die Augen schließen: Was Findabair als „alte Art“ bezeichnet hatte, war mehr Kampf als Spiel. Der Ring war aus Stahl und nur dünn mit Leder umwickelt, um die Kanten etwas abzumildern. Die Spieler schützten sich mit Polstern, Helmen und Lederrüstungen vor allzu schweren Verletzungen, und selbstverständlich gab es keine menschlichen Utzer, sondern zwei dicke Stangen im Boden. Findabair übernahm das Richteramt und hatte mehr zu tun als ihr lieb war, denn die beiden Mannschaften hatten ihre Wut aufeinander einige Jahre lang gepflegt. Nach mehreren ausgeschlagenen Zähnen, einem gebrochenen Oberarm und zwei Ausfällen wegen Bewußtlosigkeit stand es Fünf zu Vier für Thorkar und die Männer von Aithil, und das bedeutete seinen Sieg, da es bei dieser Variante offenbar keine zeitliche Begrenzung gab. Damit war das Spiel offiziell beendet, was jedoch Leif und Thorkar nicht davon abhielt, sich zu zweit weiter wütend um die Scheibe zu raufen. Allerdings war es bereits Abend, und das Publikum hungrig. Nach und nach begaben sich alle an die Lagerfeuer, die ersten Hörner Bier wurden geleert. Schließlich gingen Tallrim, Findabair und Rimgar nochmals zum Spielfeld, um nach den beiden einsamen Streithähnen zu sehen. Mit den Händen in den Hosentaschen standen sie da und beobachteten stumm die verbissenen Kämpfer. Schließlich schüttelte Tallrim den Kopf und rief: „Wenns no wos zum Essn wollts, dann derfats schee langsam kemma. Mia sauf ma scho.“ Verdutzt starrten sich die beiden Sturköpfe an und folgten den anderen endlich doch leicht schwankend ins Lager. Dort wurden die Schrammen, blauen Flecken und blutigen Nasen lachend kommentiert und jegliche Erwiderung sogleich mit einem kräftigen Schluck zum Schweigen gebracht. Als sie in den frühen Morgenstunden gefragt wurden, wer denn das einsame Spiel nun eigentlich gewonnen hätte, konnten sich die beiden beim besten Willen nicht mehr an die Zahl ihrer Utze erinnern, zuckten hilflos mit den Schultern, sahen sich an und begannen lauthals zu lachen.

Reisebericht von Karolus von Neuenstein

Auf dem Weg von der Front in Stueren nach Neuenstein, anlässlich des bevorstehenden Herzog-Rolo-Festes, entschloss ich mich dem eiligen Hilferuf von Bruder Gregor Schattenbanner zu folgen, welcher um dringende Unterstützung gebeten hatte im Kampf gegen einen Diener des Bozephalus, einen gewissen Lukretius. Dieser ist uns vor Jahresfrist schon einmal entwischt, als dieser versehentlich befreit wurde anlässlich der Einweihung der Kommende Wachstedt in Neuenstein.

Da meine Männer bereits eingeschifft waren und ich noch einige Dinge im Feldlager zu regeln hatte, übergab ich kurzerhand Dimarus von Weissenfels, meinem Knappen das Kommando und machte mich allein auf den Weg, da ich wusste die Ritterbrüder des Ordens des Seligen Jonas zu Rhodien würden uns im Kampfe gegen das Übel beistehen.

Auf dem Weg in die Kommende traf ich auf den von Bruder Gregor bestimmten Anführer der Expedition, Hexenkommissar Einhilf, der zusammen mit einigen Brüdern bereits die Unterstützungstruppen erwartete.
Ebenso erfreulich war es das 2 Schwertbrüder vom Orden des Schwertes des heiligen Wladislaw und einen Ihrer Strelitzen trafen, welche uns nicht nur im Kampfe, sondern auch im Glauben Verstärkung gaben.

Schnell hatte ich mich mit Hexenkommissar Einhilf, Ritter Alexej und Ritter Jaroslaw darauf verständigt, dass alles dafür getan werden müsse um dem Treiben des Lukretius Einhalt zu gebieten, da dieser sich unheiliger und böser Kräfte bediente, welche einem jeden braven Ceriden aber auch allen anderen Menschen das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Kurzum, auf unserer Reise kamen noch 2 weitere größere Trupps zu unserer Expeditionstruppe hinzu. Zum einen ein Trupp Soldaten aus Magonien unter dem Kommando von Frau Sergeant Ashaba, sowie einer Abordnung des Lagers des Kupfernen Drachen von der wirklich weit entfernten Insel der Drachen unter dem Kommando von Lady Iskierka.
Bereits kurz nach unserer Ankunft in der kleinen Kommende wurde uns klar, das wir hier ein ernstes Problem zu bewältigen haben, da die Kommende verwaist war und es Hinweise gab das alle Brüder und Schwestern getötet oder verschleppt waren.
Unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich, denn niemand anders als Lukretius und seine Schergen steckten dahinter, denn Sie griffen uns direkt an und forderten die Herausgabe von etwas das in der Kommende versteckt sein musste. Im Laufe des Abends gelangten wir in den Besitz von diversen Teilen eines Puzzels, welches wir aber noch nicht zusammensetzen konnten.

Im Laufe des ersten Abends und des darauf folgenden Morgens fanden wir heraus, dass das Objekt der Begierde von Lukretius offenbar ein machtvolles Schriftstück sein musste, welches gut gehütet in der Kommende versteckt war und das der Schlüssel hierzu das bislang unvollendete Puzzle war.
Leider wurde Hexenkommissar Einhilf am Freitagabend im Laufe der Kampfhandlungen getötet, genau wie fast alle der mitgereisten Seesoldaten der Rhodischen Miliz. Mit seinen letzten Atemzügen übertrug Einhilf mir die Befehlsgewalt, welche ich aber mangels eigener Waffenknechte nicht durchzusetzen vermochte und daher Lady Iskierka und den Magoniern den Oberbefehl über die Verteidigung überlies und mich auf die Lösung der Probleme zusammen mit den Schwertbrüdern Alexej und Jaroslaw konzentrierte.
Schließlich provozierte Ich bei einem neuerlichen Aufeinandertreffen Lukretius, was aber von einigen Anwesenden offenbar missverstanden wurde, worauf meine Wenigkeit von einem Bogenschützen aus den eigenen Reihen beschossen wurde, zum Glück ohne ernste Verletzung. Lukretius stellt daraufhin ein Ultimatum bis Mitternacht und Griff mit seinen Schergen an.
Im Laufe der Gefechte wurde ich schließlich doch ernstlich verwundet und musste mich aus dem Kampf zurückziehen.
Nach und nach tauchten dann die vermissten Brüder der Kommende auf, zum großen Teil als grässliche Schergen des Lukretius, der die Brüder auf abscheuliche Weise von den Toten zu willenlosen Kreaturen erhob.
Es gelang uns nach und nach die Brüder aus den Klauen des Bozephalistischen Dieners zu befreien und sie zur letzten Ruhe auf dem wieder eingesegneten Friedhof zu betten.

Dass uns diese Tat in der Nacht zu großem Vorteil gereichen sollte ahnten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Schließlich fanden wir auch die Lösung des Rätsels und das verborgene Schriftstück erschien im Weihwasserbecken der Kapelle, dem einzigen Ort, den Lukretius nicht verheeren konnte.

Als Bruder Alexej, der Söldner Skar und ich begannen das Schriftstück zu übersetzen, bemerkten wir das es sich um eine mächtige Beschwörungsformel handelte, aber es gelang uns nicht die Übersetzung abzubrechen, da ein unheimlicher Bann von dem Schriftstück aus ging. Als wir geendet hatten, waren einige merkwürdige Dinge geschehen und wir erkannten, dass die Formel unter allen Umständen von Lukretius fern gehalten werden musste.

Bei Ablauf des Ultimatums kam Lukretius erneut zurück, mit einer großen Zahl an Untoten und anderem bozephalistischem Gezücht und ging unvermittelt zum Angriff über. Wir konnten Ihn davon abhalten in die Kommende einzudringen, allerdings wurden unsere Truppen stark bedrängt und wir hatten immense Ausfälle. Zu guter Letzt wurden wir Zeuge eines Wunders des Eynen, denn Einhilf, der getötete Hexenkommissar erschien in Gestalt eines Racheengels und beendete die Existenz der Schergen von Lukretius mit der Macht des Eynen. Lukretius sprach daraufhin lästerliche Flüche aus und verschwand in der Dunkelheit des Waldes. Wir sprachen ein Dankgebet an den Eynen und Einhilf wurde entrückt um seine Taten auf der Seelenwaage wiegen zu lassen.
So waren wir zu guter letzt siegreich, aber Lukretius entwischte uns erneut.
Im Nachgang der Vorfälle gab es noch eine Verhandlung gegen mich, denn Lady Iskierka bestand darauf meine Person zur Rechenschaft zu ziehen, da man mich absurder Weise verdächtigt hatte mit Lukretius im Bunde zu stehen. Da das gefällte Urteil noch nicht rechtsverbindlich ist schweige ich zunächst darüber.

Als wir unseren Sieg feierten aber auch unserer Gefallenen gedachten bekamen wir noch Besuch eines Mitstreiters, welcher mit seinen Mannen anderen Spuren gefolgt war und erst spät zu uns stieß, dem ehrenwerten Khalil Malear Quintos de la Cruz, Markgraf von Aquilejia, Baron v. Hellendahl, Baronet of Ettrick and Lauderdale, Schwert- sowie Herbstmeister der Yorks und Ehrenkundschafter zu Obergralt.

In intensiven Gesprächen die noch an anderer Stelle fortgesetzt werden, haben der Markgraf von Aquilejia und meine Wenigkeit zusammen mit Bruder Gregor Schattenbanner eine künftig intensivere Zusammenarbeit und Ritterliche Freundschaft vereinbart.

Der Markgraf und Bruder Gregor haben mich eingeladen der heiligen Liga zum Schutze des Ceridentums und wider den Kräften der Finsternis beizutreten. Die Verhandlungen hierüber laufen bereits.
Nachdem wir uns herzlich voneinander verabschiedet hatten trat ich zusammen mit den Schwertbrüdern Alexej und Jaroslaw die Reise zum Prätorium Hilarii in Lyrien an, da man mich gebeten hatte Zeugnis über das Wunder des Eynen abzulegen.
Nach diesem Zwischenaufenthalt werde ich nach Neuenstein zurück kehren um dort nach dem Rechten zu sehen und neue Kräfte für die Offensive im Frühjahr gegen Stueren zu sammeln, auf das der unselige Krieg endlich ein Ende finden möge.

Ostarien feiert

Seit nunmehr 15 Jahren ist Angilbert I. Uriel Herzog von Ostarien. Er folgte seinem Großvater Uriel II. im Jahre 26 n.A.III. auf den Thron des Herzogtums, nachdem sein Vater Aftalun, der heutige Primus Pacellus zu Gunsten einer Laufbahn in der Ceridischen Kirche darauf verzichtet hatte. Da der Herzog, der seine im Kindbett verstorbene Mutter Evanna von Lodenburg nie kennengelernt hatte, in kindlichem Alter war, wurde die erlauchte Herzogenwitwe Walluma von Carajon, seine Großmutter zur Regentin bestimmt, die von nun an mit gestrenger und weiser Hand die Geschicke des Herzogtums lenkte. Der junge Herzog wurde von Jahr zu Jahr mehr in die Regierungsgeschäfte eingebunden. Seit jeher gilt der dunkelhaarige, hübsche Jüngling als Wohl und Glück Ostariens, seit dessen Thronbesteigung sich das Blatt im Herzogtum zum Guten gewendet hatte. So waren es Ödling, Pustelplag und Teemoranien, die allesamt um das Jahr 26 besiegt wurden. Auch fiel in diese Zeit der Aufstieg der Ostarischen Marine, heute unser aller Stolz und Ruhm. Sicher mag die Wende im Schicksal Ostariens in gleichem Maße der klugen Politik der Regentin, wie auch dem wackeren Streiten der Getreuen und Verbündeten geschuldet sein. Auch mag man einwenden, daß die entscheidenden Schlachten noch zu Lebzeiten, des allerdings schon sehr siechen Uriels II. geschlagen wurden. Herzog Angilbert I. aber symbolisiert das Herscherheil und das Selbstverständnis des heutigen Ostariens wie kein anderer. Kein anderer Ostarischer Herzogsname wurde so oft, voller Inbrunst in die Welt geschmettert wie Angilbert I. (lang lebe er!).
Wir wollen die Ereignisse um die Übernahme der Regentschaft des jungen Herzogs dem geneigten Leser in den folgenden Artikeln näher bringen:

Ein denkwürdiger Geburtstag

Am 12. Tag des 1. Poena im Jahre 41 n.A.III. war es nun endlich soweit. Seine Erlaucht würde sein 18. Lebensjahr vollenden und endlich die Regierungsgeschäfte übernehmen. Zu diesem
Anlass wurden alle Personen von Amt und Würden, von Rang und Namen aus Heligonia und dem befreundeten Ausland eingeladen, um dem jungen Herzog die Ehre zu erweisen und dem großen Ereignis in der Herzogenstadt Ankur beizuwohnen. Auch namhafte Künstler wurden eingeladen, Herrschaft und Gäste zu ergötzen. Und so reiste Hoch- und Niederadel Heligonias, Geweihte und Gelehrte, Wohlhabende und Arme in großer Zahl an. Selbst alle wichtigen und bekannten Personen des öffentlichen Lebens zu nennen, würde hier den Rahmen sprengen und so seien hier nur diejenigen genannt, die sich in irgendeiner Form während der Festtage hervorgetan hatten.
Das eigentliche Fest dauerte zwei Tage. Während am 12. Tag des 1. Poena, also am eigentlichen Geburtstag, die feierliche Amtsübergabe stattfand und am Abend ein feierliches Bankett abgehalten wurde, fand am 13. Tag des 1. Poena die Einweihung des Herzog Angilbert Kanals sowie eine Flottenparade zu Ehren des Herzogs statt. Am Abend schließlich endete das Fest der hohen Herrschaften mit einem rauschenden Ball. Für das gemeine Volk wurden währenddessen in Ankur allerorten Feste und Jahrmärkte abgehalten. Diese dauerten eine ganze Woche an.
Die eigentliche Amtsübergabe fand im großen Herzog Rolo Saal der herzöglichen Residenz statt, in dem sich alle Würdenträger Ostariens und Gäste von Rang versammelt hatten. Selbstverständlich waren alle direkten Vasallen des Herzogtums, also die Herrscher der 12 Baronien anwesend, allein die Nordmark wurde lediglich durch den jungen Kapitän des Post- und Kurierschiff Nordschwalbe aus Härtwigs Hafen, Brenzo Reißwasser repräsentiert, was aber die wenigsten erstaunte, glänzt doch unser Bollwerk gegen die Ödlinge bei so vielen offiziellen Anlässen durch Abwesenheit. Die wenigsten scheinen dies allerdings zu bedauern, hört man doch allenthalben von den rohen Sitten, die in dieser Wildnis fern der Zivilisation herrschen sollen. Auch den Vertretern des Pailat sagt man eine übermäßige Weltfremdheit nach, die sie in Ankur stets fehl am Platze wirken lässt.
Nachdem nun alle versammelt waren und Fanfarenstöße die Versammelten zur Ruhe gemahnten, übergab Regentin Walluma das große Siegel Ostariens mit der Marashnatter symbolisch an den jungen Herzogs. Als Zeugen für diesen Akt waren neben hohen Beamten des Königs und einem Reichsritter auch der Primus der Ceridischen Kirche sowie Hochgeweihte aller vier Götter anwesend. Ansonsten verlief die Prozedur in gewohnt ostarischer Manier ohne religiöse Zeremonien. Es wurden allerdings im Laufe der Festtage mehrere ceridische Messen und ogedische Götterrituale angehalten, so daß jeder auf seine Kosten kam und im Namen seines Glaubens um den Segen für den jungen Herrscher bitten konnte. Die notwendigen bürokratischen Formalitäten für die Amtsübenahme waren selbstverständlich bereits im Vorfeld erledigt worden. Als also der offzielle Akt „besiegelt“ war, gab Angilbert I. das Zeichen des Symbols seiner Regentschaft an seine Großmutter zurück und so wurde verkündet, daß Walluma von Carajon fortan als Kanzlerin Ostariens weiterhin maßgeblich an den Regierungsgeschäften beteiligt sein solle. Weiterhin wird sie als Erzvogtin zu Ankur die Geschicke der Erzmark und der Stadt lenken und leiten.
Im Anschluss bekräftigten die Vasallen des Herzogtums erneut überschwänglich Ihre Treue zum Herzog. In nicht enden wollenden „Lang lebe Herzog Angilbert I.“-Rufen endete der offizielle Teil.
Im Anschluss war es am versammelten Adel, dem jungen Herzog zu gratulieren und allerlei Geschenke zu übergeben. Hier wollen wir nun diejenigen Gäste nennen, welche besonders bedeutsam sind oder sich durch ein spezielles Geschenk hervorgetan haben.

Prinz Anselm von Thal, der mit einer größeren Anzahl weiterer Thaler Barone angereist war, übergab dem jungen Regenten ein Wunderwerk der Ingenieurskunst, ein gläsernes Gewächshaus. Besonders bemerkenswert waren dabei die großen Glasscheiben, die mehr Licht in das Gewächshaus lassen als die bisher verfügbaren Butzenscheiben. Besonders die Glashütte der Güldenthaler Vogtei Queres hat aufgrund der Gewächshausbauten des Prinzen in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte in der Glashüttentechnik hervorgebracht. Getragen wurden die Glasscheiben von grazilen Säulen aus Kalaruner Schmiedekunst, die mit allerlei Allegorien die Tugenden des jungen Herrschers darstellten. Schon bald nach den Feierlichkeiten kümmerte sich der Prinz um die Fundamenterrichtung in den herzöglichen Gärten sowie die Verlegung von edlen Blausteiner Marmorplatten. Weiterhin ließ der Prinz einige edle Gewächse aus seinen eigenen Gewächshäusern übergeben, darunter verschiedene Zitrus- und Orangenbäume, sowie die sehr seltene und hervorragend schmeckende Alapasiusstaude.
Eine Delegation aus Seedomee unter der Freigräfin ergriff die Gelegenheit, dem jungen Herzog erstmals die Aufwartung zu machen und die neuen Baroninnen vorzustellen.
Baronin Leabell von Tlamana überreichte dem Herzog ein prächtiges Schwert aus vielfach gefalteten Tlamanerstahl, in dessen Knauf kunstvoll eine aurazithene Maraschnatter eingearbeitet wurde. Die Scheide aus schmuckem schwarzen Leder ist punziert und mit aurazithenen Einlegearbeiten verziert.
Fürst Leomar von Drachenhain überreichte einen schweren Herrschermantel in Purpur, aus feinster hochländischer Wolle, wundervoll bestickt, außerdem einen schweren Falknerhandschuh, der symbolischen für die Auswahl eines Hand aufzuziehenden Drachenhainer Falken steht, sobald Angilbert dazu Zeit fände, verbunden mit einer gemeinsamen Jagdpartie in der Wolfenfelder Jagdkammer. Es folgten einige Drachenhainer Adlige und Offizielle unter ihnen auch Baronin Josephina von Drachenhain, die dem Herzog einen Hirschfänger überreichte, um dessen Ebenholz-Griff sich eine Ostarische Schlange in Silber windet.
Der Fürst von Angaheym, Rimgar Drachenstampfer folgte mit einer kleinen Schar Getreuer und übergab als Ehrenbezeugung ein kleines Faß Uisge und eine schöne Jagdlederrüstung, Schild und Sauspeer aus Angaheymer Fertigung sowie eine Einladung zur Wolfshatz. Nachdem der Fürst einige knappe Worte ob einer erfreulichen Zukunft mit Handel und Hilfe an Seine Erlaucht Herzog Angilbert I. Uriel von Ostarien gerichtet hatte, betonte er, daß der gemeinsame Dienst für den König, Seine Allerdurchlauchtigste Majestät Aximistilius III der höchste Genuß sei. Ein einvernehmliches Miteinander sei anzustreben, der Wunsch nach Frieden und kulturellem Austausch verbinde die beiden Völker und Herzen. Die Geschenke wurden dem Herzog von einem Gefolgsmann des Fürsten begleitet von einigen Sätzen im breitesten Angaheymer Dialekt überreicht. Dem Berichterstatter der Hofgazette war es, möglicherweise zum Glück, leider nicht möglich, die Sätze zu verstehen, weshalb sie hier nicht wiedergegeben werden sollen.
Der Doge von Betis reiste mit einer Abordnung des Betiser Großen und Hohen Rats an. Als Geschenk wurde dem Herzog das Mauskript einer Oper überreicht, die der „in Betis lebende große Sohn Ostariens“ (Heliosbote 72) Wolfgrimm Aramantus Mordshart im Auftrag des Dogen für und über Angilbert persönlich geschrieben hat – ein Zeichen der tiefen Verbundenheit zwischen Betis und Ostarien. Weiterhin wurde Herzog Angilbert I. Uriel zum Bürger des Monats ernannt. Darüber hinaus verkündete der Doge, daß die die von der Regentschaft scheidende Herzogengroßmutter Walluma von Carajon aufgrund besonderer Verdienste für die ostarisch-betiser Freundschaft zur Ehrenbürgerin der Stadt Betis ernannt würde.
Als weiterer wichtiger Verbündeter sei hier noch der Abt von Dunkelstein genannt, der noch einmal den gemeinsamen Zusammenhalt und die geschlossenen Bündnisse beschwor.
An den Feierlichkeiten zur Inthronisation von Angilbert I. Uriel von Ostarien nahm auch die Freiherrschaft Felsental teil. Vor Beginn der Feierlichkeiten fanden diplomatische Gespräche zwischen Ostarien und Felsental statt. Man munkelt, dass die hinter verschlossenen Türen geführten Verhandlungen zwischen Herzog Angilbert und Freiherr Berengar auch die gegenseitige Unterstützung auf See zur Sache hatte. Seit geraumer Zeit existiert ein Flottenabkommen zwischen beiden Ländern, welches von Ostarischer Seite noch vor der Volljährigkeit seiner Hoheit des Herzogs geschlossen wurde. Offensichtlich waren die Konsultationen zu beiderseitigem Gefallen verlaufen, da alle Beteiligten auf dem später am Tag stattfindenden Ball eine dem Rang angemessene gelöste Stimmung aufwiesen. Die offizielle Verlautbarung der Herolde zu diesem Treffen gibt als Ergebnis der freundschaftlichen Gespräche die Einrichtung ständig besetzter diplomatischer Vertretungen bekannt. Dieser Schritt kann nur als weitere Annäherung zwischen beiden Ländern zu verstehen sein.
Als weiterer ausländischer Gast trat eine Gesandtschaft der Stadt Seeburg am Bodenlosen See auf, welche seiner hochwohlgeboren dem Herzog Angilbert I Uriel von Ostarien die besten Wünsche und entsprechend Geschenke überbrachte.
Unter den Vasallen Ostariens seien hier beispielhaft zwei Vertreter genannt:
Baron Karolus von Neuenstein übergab Seiner Erlaucht einen Zuchthengst aus dem Gestüt der Eowar als Geschenk, eine Gabe, die seit 3 Generationen nicht mehr gemacht worden war.
Baron Richard von Arnach überreichte, die von Heliodora von Oggnitz vor genau 100 Jahren zusammengetragenen Originaltexte des ersten Logbuchs Heligonias, das aus unerfindlichen Gründen kürzlich im AAA (Altes Arnacher Arsenal) gefunden wurde. Die Begleiterin des Barons, welche den jungen Herzog anlächelte, war eine unbekannte, hübsche und auffallend junge Hausangestellte. Eine Bürgerliche!
Als Kuriosum sei hier noch der sichtlich angetrunkene Gouverneur des Herzog-Uriel II-Atolls, Jens-Hendrik Nilsson genannt. Er überreichte Angilbert aufwändig gestaltete Miniatur des H.U.II-Marinestützpunkts mit kleinen Spielzeugschiffen, wobei er sich scheinbar im Alter des Thronfolgers um etwa 10 Jahre verschätzt hatte.

Zum Abschluss des Geburtstages Seiner Erlaucht fand ein großes Festessen der geladenen Würdenträger statt. Bis tief in die Nacht wurden unzählige Gaumenfreuden aufgetragen. Es wurden ausgelassene Unterhaltungen geführt, Kontakte geknüpft und den Darbietungen diverser Künstler gelauscht. Beispielsweise nutzten die vielen noch unbekannten Adeligen aus Sedomee hier die Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit vorzustellen und Kontakte mit dem Adel und anderen wichtigen Personen zu knüpfen, um unter anderem die Handelsbeziehung nach Norden auszubauen.
Unter den Auftretenden Künstlern sei der unvergleichliche Harald Schönefonte genannt, der ein Medley seiner größten Hits (Eiland im Sonnenschein, Wo ist der Teemon usw.) zum Besten gab. Gouverneur Nilsson war es wohl gelungen den Flamingo-Barden dazu zu überreden, aus gegebenem Anlass nach Ankur zu reisen.
Als „Künstler“ im weiteren Sinne trat dann auch ein Darianischer Gelehrter auf, der sich als Yallas, Ehrenpräsident der freien Akademie der Wissenschaften zu Darbor vorstellte. Er präsentierte dem anwesenden Adel seine Erfindung, ein auf gebogenen Spiegeln basierendes Fernrohr. Dieses, so der Südländer, sei viel leichter und leistungsfähiger, als die bisher bekannten Geräte mit geschliffenen Gläsern. Der militärische Nutzen an Land, bei der Aufklärung über den Zustand der feindlichen Linien, sowie der nautische Nutzen bei Expeditionen zur See und in der Kriegsschifffahrt sei bei entsprechender Weiterentwicklung des Prototyps immens. Tatsächlich gelang es dem Herren die Aufmerksamkeit einiger Vertreter der Admiralität der Ostarischen Marine auf sich zu ziehen. Ja, es war Admiralsekretär Wolfgrimm von Nigramsfall selbst, der versprach, dem Gelehrten eine Demonstration vor einem Expertengremium zu ermöglichen.
So endete der 18. Geburtstag Herzog Angilbert Uriels des I., Herzog von Ostarien.

Der lange Weg

Vendor schleppte den ganzen Vormittag über schon. Und schleppte und schleppte. Stoffballen, Holzkisten, Säcke mit Getreide, Rüben, Wintervorräten, Saatgut, Fässer mit Dörrobst und Sauerkraut, Salzfleisch und Räucherfisch. Und es wurde einfach nicht weniger! Obwohl die Angaheymer Familien packten und verstauten, wurden gleichzeitig wieder neue Waren angeliefert. Der Innenhof des Gasthauses vor den Toren von Betis war angefüllt mit dem Blöken von Maultieren, Kindergeschrei, derben Flüchen und fröhlichem Gelächter. Findabair stand am großen Tor des Gasthauses und verglich die Lieferungen der Bauern und Händler mit einer Liste. 84 Auswanderer hatten sie schließlich überzeugen können, in die Heimat zurückzukehren, einige Kinder waren bereits in Betis geboren. Nicht schlecht, dachte Vendor, der von Anfang an in den Plan eingeweiht gewesen war. Auch wenn ein gutes Dutzend Angaheymer noch nicht bereit war, den Traum von Glück und Reichtum in Betis schon aufzugeben, die meisten hatten sie auf ihrer Seite. Und er war daran nicht ganz unschuldig, hatte er doch das Rennen im Betiser Stadion gewonnen, naja, wenigstens fast. Zumindest für die Angaheymer. Wagenlenker nannten sie ihn seitdem, dachte er stolz. „Schlaf net, Bua!“ Jemand stupste ihn in die Seite. Richtig, sie wollten ja heute noch aufbrechen.
Die meisten Familien besaßen nur wenige Habseligkeiten, zudem Findabair darauf bestanden hatte, sperrigen Hausrat zu verkaufen. Der meiste Platz auf dem Rücken der Maultiere war den Vorräten für den Winter bestimmt. Dies war das erste große Problem gewesen, mit dem sie sich herumgeschlagen hatten: Die Freude der alten Angaheymer über die Rückkehrer würde sofort in Ärger und Sorge umschlagen, wenn klar würde, dass man sie den Winter über mit durchfüttern mußte. Und das Tal hatte ja selbst kaum genug Vorräte, die Felder lagen brach. Die Heimkehrer mußten ihr Auskommen also selbst mitbringen, doch niemand besaß dafür genug Geld.
Das zweite große Problem war im Laufe der Jahre die Scham geworden: So viele waren vom elterlichen Hof weggezogen, um in der Fremde reich zu werden, ein besseres und bequemeres Leben zu führen, doch fast alle waren gescheitert. Manch ererbte Waffe oder Schmuckstück hatte zum Begleichen von Schulden Angaheymer Hände verlassen, die Kleidung war geflickt und die Träume geplatzt. Wer wollte sich da zuhause schon Zorn und Spott aussetzen?
Aber mit dem unerwarteten Erfolg im Betiser Wagenrennen waren nun beide Probleme mit einem Schlag gelöst: Vendor und Findabair konnten mit ihrem Angebot, die Kosten für Vorräte und neue Kleidung zu übernehmen, fast alle überzeugen, und so waren sie heute hier zum gemeinsamen Aufbruch verabredet. Jeder Angaheymer trug nun nicht nur ein neues, einfaches Gewand für die Reise, viele hatten auch ein Festgewand im Bündel. Es war nämlich noch so viel Preisgeld übrig gewesen, dass Findabair einige Ballen Tuch in traditionellen Mustern hatte weben lassen. Ein paar Betiser Schneider hatten zwar begehrliche Blicke darauf geworfen, mußten sich aber auch mit diesen begnügen. In den Angaheymer Familien jedoch wurde daraufhin eifrig genäht, gestickt und geflochten.
Jetzt war es soweit: Die Maultiere setzten sich in Bewegung, eine kleine Ziegenherde wurde losgebunden und der Hof leerte sich langsam. Kaum einer blickte zurück auf die Mauern von Betis, die im Licht des Spätsommertages langsam kleiner wurden.

Vendor wachte mit einem Brummschädel auf und mußte erst einmal nachdenken, wo er sich befand: Richtig, Burg Sarniant. Sie waren gestern abend in der Stadt angekommen, und Findabair hatte bei der Baronin um Unterkunft gebeten. Diese schien von ihrem Plan zwar auch nichts gewußt zu haben, bat die Heimkehrer aber sofort in ihre Burg, ließ ein Schwein schlachten und ein Faß Bier öffnen, und dem verdankte Vendor nun seinen Brummschädel. Obwohl, bei seiner langen Unterhaltung mit Tallrim Stabschwinger waren auch noch andere Getränke im Spiel gewesen… Draußen auf dem Hof waren schon wieder alle am Packen, so wie in den Tagen zuvor. Nur waren es jetzt elf Angaheymer mehr: Tallrim und die beiden noch verbliebenen Pratzen der Burgwache hatten bei der Baronin um Urlaub gebeten und würden sie begleiten. Vendor sah, dass sich Findabair gerade von der Baronin verabschiedete und trat hinzu. „…und ihr müßt nicht hungern!“ hörte er Josephina noch sagen. „Sendet einfach einen Boten. Und vergeßt mich nicht, ich habe nun so lange gewartet.“ Dann sah sie auf Vendor, lächelte und nickte ihm zu. „Auf gehts!“ rief jemand hinter ihm, und die großen Burgtore öffneten sich.

Am Anfang der Perlbachschlucht waren noch Lachen, Erzählen und Freude auf ein Wiedersehen mit Eltern und Freunden im Zug zu hören gewesen, je höher sie aber stiegen, um so stiller wurde es. Findabair hatte ihnen auf dem Weg nach und nach erzählt, wie es um das Tal stand, wie Haß und Zwietracht Einzug gehalten hatten, alter Streit um alte Rechte aufgeflammt war und nun niemand mehr einen Ausweg wußte. Kopfschütteln hatte das hervorgerufen, Zorn und auch Schuldbewußtsein, da der Wegzug der Jungen vieles erst ausgelöst hatte. Nun hingen beim Aufstieg alle ihren Gedanken nach. Die Wachen an der Schlucht hatten sie zuerst verblüfft angestarrt und sich dem Zug dann wortlos angeschlossen. Vendor sah sich um, Findabair hatte schon seit Beginn der Schlucht nichts mehr gesagt, verbissen setzte sie einen Fuß vor den anderen. Er selbst war hin und wieder zuhause gewesen, hatte Nachrichten überbracht und Beobachtungen mitgeteilt. Auch ein Druidh hielt für Baron Koldewaiht im Tal die Augen offen und schickte Nachrichten nach Luchnar. Aber Findabair war seit zehn Jahren nicht mehr in Angaheym gewesen. Vendor wußte kaum etwas über den großen Streit damals. Welchen Plan sie selbst wohl verfolgte? Ob man ihr überhaupt zuhören würde? Auf dem steilsten Stück gegen Ende wurde allen deutlich, wie vernachlässigt die Schlucht eigentlich war: Etliche Baumstämme aus der Schneeschmelze waren gar nicht mehr weggeräumt worden. Das hätte es früher nie gegeben, dachte so mancher. Schließlich öffnete sich das große Hochtal von Angaheym vor den Heimkehrern. Die ersten blieben stehen und blickten bewegt in das weite Rund. Dann standen sie alle auf der Anhöhe, mit den müden Kindern auf dem Arm, still, mit ernsten Gesichtern und auch einigen verstohlenen Tränen. Wie würde man sie empfangen?

Der neue Morgen

Am Vormittag des folgenden Tages brachen alle ihre Zelte ab und kehrten endlich nachhause zurück, so daß der Thingplatz vorerst verwaist zurückblieb. Allerdings soll noch vor dem Winter ein großes Allthing stattfinden, bei dem ein neuer Thingsprecher und Stammesfürst gewählt werden soll. Außerdem müssen Pläne für die Wiedereinführung eines Markttages und neue Handelsbedingungen gefaßt werden. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Ordnung wieder hergestellt ist und alte wie neue Dinge in geregelten Bahnen laufen. Ich für meinen Teil wurde inzwischen von Findabair gebeten, von Hof zu Hof zu ziehen und vergangene Rechtsfälle zu erfragen und aufzuschreiben, um gewissermaßen ein neues, altes Angaheymer Recht niederzulegen, auf dass so etwas wie der große Streit nie wieder passieren möge. So habe auch ich nun meine Aufgabe und freue mich, endlich etwas beitragen zu können. Ich bin schon sehr gespannt auf all die Dinge, die nun gerade ihren Anfang nehmen.

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